Cover

LIAM O’DONNELL

BATTLE OF THE BLOCKS 1

ANKUNFT IN DER
OBERWELT

Aus dem Amerikanischen von Annette Mader

 

 

 

 

 

 

 

© 2016 Liam O’Donnell

Titel der Originalausgabe: Battle of the Blocks 1: Descent into Overworld

ISBN der Originalausgabe: 978-0-9919281-7-0

 

Minecraft®/TM & © 2009–2016 Mojang/Notch

 

Dies ist kein offizielles Minecraft-Produkt. „Minecraft” ist eine eingetragene Marke der Notch Development AB. Es handelt sich bei diesem Werk nicht um ein offizielles „Minecraft“-Lizenzprodukt und steht in keiner Verbindung mit Mojang AB oder einem anderen „Minecraft“-Rechteinhaber.

 

Dieses Buch ist reine Fiktion. Der Autor erhebt keinen Anspruch auf die Urheberrechte von Minecraft, Mojang oder irgendwelche Namen, Orte, Kreaturen oder Gegenstände, die in diesem Spiel vorkommen. Alle Namen, Personen und Orte entstammen allein der Fantasie des Autors. Jede Ähnlichkeit mit aktuellen Ereignissen, Orten oder lebenden beziehungsweise toten Personen ist rein zufällig. Alle Rechte vorbehalten. Ohne schriftliche Erlaubnis des Autors darf dieses Werk weder ganz noch in Teilen, weder mechanisch oder elektronisch, nicht durch Fotokopien, Aufnahmen oder Datenspeicherung, vervielfältigt werden.

 

Cover-Design: Saboten

Umschlag-Layout: Axel Mahé

 

© der deutschen Ausgabe: Ullmann Medien GmbH

 

Übersetzung aus dem Englischen: Annette Mader

Lektorat und Satz: ce redaktionsbüro für digitales publizieren

Redaktion: Franziska Funcke

ePub-Konvertierung: Datagrafix GmbH, Berlin

 

Gesamtherstellung: Ullmann Medien GmbH, Potsdam

 

ISBN 978-3-7415-2233-8

 

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Für die Rools, die Grims, die Aeries
und all die Jüngeren und Älteren
im Spielmodus

Kapitel 1

Nun wurde es ernst. Die Creeper hatten die Schulcafeteria gesprengt.

Drei Tage alter Nudelsalat lag über den ganzen Küchenboden verteilt.

„Das ist schlimm“, sagte Ant, der sich unter der Anrichte versteckt hatte. Versprengte Nudeln hingen von der Tischkante. Eine von ihnen steckte er sich in den Mund. „Schlimm, aber sehr lecker.“

„Es ist wirklich schlimm, und es ist vor allem deine Schuld!“, schimpfte Hamid und stieß Ant den Ellenbogen in den Rücken, um sich mehr Platz unter dem Tisch zu verschaffen.

„Ich hab doch gesagt, dass es mir leidtut.“ Ant drückte sich in die Ecke und überließ seinem besten Freund freien Zugang zu den herabhängenden Makkaroni.

Ant gab es ungern zu, aber Hamid hatte Recht. Es war sein Fehler. Er hatte dieses Chaos verursacht. Er war schuld, dass sich Creeper in ihrer Schule herumtrieben. Und es gab keine Möglichkeit, sie daran zu hindern.

Ein lautes Zischen ertönte durch die Fenster entlang der Küchenwand. Hamid erspähte einen großen, würstchenähnlichen Schatten in der Dunkelheit. Die Kreatur starrte mit traurigem Blick durch eines der Fenster in die Küche. Ihr Körper blinkte auf wie eine defekte Glühbirne. Hamid wusste, was nun kommen würde, und hielt sich die Ohren zu.

BUMM!

Eine klebrige rote Pampe spritzte gegen die Scheiben.

„Da geht sie hin, die leckere Pizza Spezial.“ Ant rieb sich den Bauch. Tomatensauce und Pizzateig bedeckten den Boden und vermischten sich mit dem verschütteten Nudelsalat zu einem verquirlten Durcheinander von Essen. Ant hätte gern davon genascht, doch er zog es vor, in seinem sicheren Versteck zu bleiben. Sehnsüchtig blickte er auf die verstreuten Leckereien. „All diese köstlichen Pepperoni! Was für eine Verschwendung!“

„Ein Grund mehr, Creeper zu hassen“, erwiderte Hamid.

Von draußen drangen laute Schreie in den Raum. Eine Schwadron fliegender Ghasts ließ Feuerbälle auf den Schulhof regnen, sodass die Schulfenster erzitterten.

„Es hört sich an, als hätten sie den Spielplatz getroffen“, vermutete Hamid.

„Die Lehrer werden ziemlich wütend sein“, antwortete Ant.

Die Küchentür sprang auf. Zwei dünne Gestalten klapperten durch die Tür. Das unheimliche Paar bewegte sich wie eine einzige Gestalt. Ihre langen Bögen waren gespannt, die Pfeile zum Abschuss bereit. Es waren Skelette, die Reinigungsmannschaft, die alles wegwischte, was den Angriff der Creeper überlebt hatte. Auf der Suche nach einem Ziel schwenkten sie ihre Bögen durch die Küche.

Hamid fühlte sich, als hätte er einen Kübel schlechter Mayonnaise gegessen. Es gab keinen Ausweg, keine Möglichkeit zur Flucht.

„Das ist das Ende“, sagte er. „Wir sind doch nicht so weit gekommen, nur um von zwei lausigen Skeletten in unserer eigenen Schulküche abgemurkst zu werden.“

Die Skelette stellten sich an beiden Enden der Anrichte auf und richteten ihre Bögen direkt auf die beiden Freunde. Ant und Hamid blickten ihren Angreifern in die Augen, bereit, sich ihrem Schicksal zu ergeben.

Die echte Welt würde nie wieder dieselbe sein.

Sie hatten verloren.

Herobrine hatte gewonnen.

 

* * *

 

Zwei Wochen zuvor waren Ant und Hamid noch begeistert gewesen, von Skeletten und Creepern umzingelt zu sein.

„Ich habe dir doch gesagt, Mini-Minecon wird ein Wahnsinnsspaß!“, sagte Ant.

„Du hast behauptet, es würde die totale Pleite“, erwiderte Hamid und verpasste seinem Kumpel einen freundschaftlichen Klaps.

„Au!“ Ant rieb sich zum Spaß die Schulter. Er war einen Kopf größer als Hamid und so dünn wie ein Enderman, doch er bewegte sich langsamer als ein bergauf schlurfender Schleim.

„Er hat recht, Ant“, sagte Jaina neben ihnen. Sie war in der sechsten Klasse, fast so groß wie Ant und liebte Minecraft ebenso wie die beiden Jungen. „Du hast gesagt, in unserer Stadt würde niemand zu einer Minecraft-Party kommen. Erinnerst du dich?“

„Okay, okay“, antwortete Ant, „vielleicht hatte ich ein paar Zweifel.“

„Nur ein paar Zweifel, Ant?“, ertönte plötzlich die tiefe Stimme von Mr. Rodinaldo, und alle zuckten überrascht zusammen.

Das war immer so. Mr. R. war so groß wie ein Kühlschrank, aber er bewegte sich so leise wie ein Ninja. Hamid fragte sich, ob Sneaking 101 wohl auch zum Studium eines Lehrers gehörte. „Ich glaube mich zu erinnern, dass du gesagt hast, unsere Mini-Minecon-Veranstaltung würde nur aus mir und einem Teller ungegessener Sandwiches bestehen.“

„Das soll ich gesagt haben?“, stotterte Ant.

„Allerdings“, antworteten Jaina und Hamid wie aus einem Mund.

Mr. R. lächelte. „Ich will dich nur auf den Arm nehmen, Ant. Ich hatte auch meine Zweifel, aber dieses kleine Event scheint ein riesiger Erfolg zu sein.“

Ein Meer von Menschen strömte durch die Lobby des Tagungszentrums. Der Raum war voller Fans dieses blockigen Computerspiels. Menschen in Creeper-Kostümen aus Pappe hasteten über den orangefarbenen Teppich. Familien mit Steve-Köpfen ließen sich fotografieren. Einige kamen sogar auf Stelzen, vollständig eingehüllt in ein Enderman-Kostüm. Für eine Kleinstadt wie Renville war dies eine ziemlich große Minecraft-Party.

Eine Frau mit einer riesigen Frisur und einem nicht minder breiten Lächeln kam auf sie zu.

„Sind Sie jetzt bereit für ein Interview, Mr. Rodinaldo?“

Mr. R. blickte sie überrascht an.

„Äh, ja“, sagte er und wurde rot.

„Wunderbar. Wir haben die Kamera dort drüben aufgestellt.“

Mr. R. folgte der Frau durch die Lobby in eine ruhigere Ecke, wo sie ein groß gewachsener Mann mit einer Fernsehkamera auf der Schulter begrüßte.

„Ist das Sheena Raine von Kanal 57?“, fragte Ant mit aufgerissenen Augen. Er guckte wie ein Frosch, der gerade in eine scharfe Chilischote gebissen hatte. „Wird Mr. R. heute Abend in den Nachrichten sein?“

„Das wäre voll cool“, antwortete Hamid.

Mr. Rodinaldo hatte schon Minecraft gespielt, als das Spiel sich noch in der Betaversion befand. Er hatte auch den Minecraft-Club an ihrer Schule ins Leben gerufen. Doch dank Rektor Whiner, der Computerspiele nicht mochte, war es kein wirklicher Club. Rektor Whiner weigerte sich, Computerspiele auf den Schulcomputern zu erlauben – dies galt sogar für diese lahmen Lernspiele, die spielerisch Lerninhalte vermitteln sollten. Whiners Motto war: „Wenn etwas Spaß macht, ist es kein Lernen!“ Er hatte diesen Leitspruch sogar an die Wände des Computerraums malen lassen.

Also hatte Whiner Mr. R. nicht erlaubt, einen Minecraft-Club an der Schule zu gründen. Doch Mr. Rodinaldos Motto war: „Wenn du zunächst keinen Erfolg hast, quengel weiter!“ Irgendwann gab Whiner nach und erlaubte den Club. Doch weil er verhindern wollte, dass der Club ein Erfolg wurde, begrenzte er ihn auf höchstens drei Mitglieder.

Damit war das Chaos vorprogrammiert. Alle Kinder bedrängten von nun an Mr. R., vor der Schule, nach der Schule, in den Pausen und selbst, wenn er im Lehrerzimmer zu Mittag aß. Sie flehten ihn an, alle wollten zu den glücklichen Dreien gehören. Rektor Whiner ließ sich nicht umstimmen, als er merkte, dass der Club bei den Kindern so gut ankam. Im Gegenteil, er warf Mr. Rodinaldo vor, die Schüler vom Lernen abzuhalten.

Die meisten Lehrer hätten die Idee dieses Clubs nach dem ganzen Ärger aufgegeben, nicht aber Mr. R. Er warf die Namen aller Anwärter in seinen großen Hut. Jaina, Hamid und Ant waren die drei Glücklichen, die gezogen wurden. Alle hofften, dass Rektor Whiner im nächsten Jahr mehr Kinder für den Club zulassen würde. Hamid aber hielt es für wahrscheinlicher, den alten Langeweiler in einem T-Shirt mit der Aufschrift „Ich bin ein Minecraft-Schweinekotelett“ rumlaufen zu sehen.

Mr. Rodinaldo hatte sie dabei unterstützt, die heutige Mini-Minecon in ihrer Heimatstadt zu organisieren, und sie waren alle zu Geeks geworden.

Jaina hatte alle Redstone-Workshops besucht und eine Menge neuer Tricks und Konstruktionen für ihre Kolben und Redstone-Maschinen dazugelernt.

Ant hatte viel Zeit mit architektonischen Tutorials verbracht und gelernt, die verschiedensten Minecraft-Blöcke zu kolossalen Bauwerken zusammenzusetzen.

Hamid hatte sein Computerwissen um zahlreiche Befehlszeilen erweitert. Wie oft hatten sie zusammengesessen, über Modpacks, Plugins und Adminlevel gesprochen, sodass ihr Server heiß lief.

„Wir sollten uns von Mr. R. verabschieden, bevor wir gehen“, sagte Jaina. „Falls er denn jemals aufhört, mit Sheena Raine zu sprechen.“

Hamid grinste. „Wenn Mr. R. anfängt über Minecraft zu sprechen, kann ihn keiner bremsen.“

„Da kenne ich noch jemanden.“ Ant blickte Hamid vielsagend an.

„Mein Minecraft-Wissen hat dir schon oft den Hintern gerettet, Noob!“

Ein Typ in einem Dorfbewohnerkostüm bahnte sich einen Weg aus der Menge. Er überhörte einfach die Beschwerden der anderen Fans und stolperte auf die drei zu. Ohne ein Wort zu sagen, fiel er direkt in Hamids Arme.

Jaina kam ihm zu Hilfe und stützte ihn.

„Alles in Ordnung mit Ihnen?“, fragte sie.

Der Dorfbewohner antwortete nicht und schnappte unter seiner Maske nach Luft. War es wirklich eine Maske? Es war der perfekteste Kopf eines Minecraft-Dorfbewohners, den Hamid je gesehen hatte. Er konnte nicht sagen, wo die Kostümierung endete und wo der Mensch begann. Doch eine Sache stimmte nicht: Er hatte rote Haare. Sogar der größte Noob wusste, dass Dorfbewohner glatzköpfig waren.

Der Kerl griff nach Hamids Hemd und sah ihm direkt in die Augen.

„Hilf uns“, japste er.

„Nimm ihm die Maske ab, dann kann er besser atmen“, schlug Jaina vor.

Der Dorfbewohner schüttelte den Kopf. Er ließ Hamids Hemd los und setzte sich auf den Teppich. Dann nahm er seinen Rucksack von den Schultern und kramte darin herum. Ein Pfeil steckte dem Dorfbewohner in der Seite.

Ant beugte sich zu Jaina: „Sieh dir das an! Gehört dieser Pfeil zu seiner Verkleidung?“

„Keine Ahnung“, antwortete Jaina, ohne ihren Blick von der sehr echt und sehr schmerzvoll aussehende Wunde abwenden zu können.

Sie kniete sich hin, um die Wunde des Fremden näher zu betrachten, doch der Dorfbewohner winkte ab.

„Dafür ist keine Zeit“, sagte er und wühlte weiter in seiner Tasche. „Er kommt.“

Der Dorfbewohner zog vier blaue Minecraft-Schaumstoffschwerter aus seinem Rucksack.

Hamid wunderte sich, wie die langen Schwerter überhaupt in den kleinen Rucksack passten. Noch bevor er danach fragen konnte, legte der Kerl die Schwerter in ihre Hände.

„Ihr müsst es tun“, sagte er.

„Wir müssen was tun?“, fragte Ant.

Der Dorfbewohner schwieg kurz, als würde er über Ants Frage nachdenken.

„Rettet den Seed. Rettet uns vor Herobrine!“, bettelte er und sank in sich zusammen, als wäre er plötzlich eingeschlafen.

Aber er schlief nicht. Jaina schüttelte ihn vorsichtig, doch er wurde nicht wach. Mit sorgenvollem Blick wandte sie sich den anderen zu.

Um sie herum schlenderten die Menschen weiter durch das Tagungszentrum. Niemand nahm Notiz von dem kleinen Mann auf dem Boden.

Ant wollte gerade nach Hilfe rufen, als der Dorfbewohner zu funkeln begann. Das Funkeln verwandelte sich in ein Leuchten und erhellte die Lobby. Dann verschwand das Licht urplötzlich, als wäre es mit einem Schalter ausgeknipst worden.

Auch der Dorfbewohner war verschwunden.

Die drei Freunde starrten auf die leere Stelle, dorthin, wo er noch vor ein paar Sekunden auf dem Teppich gelegen hatte.

Die einzige Spur, die dieser seltsame Besucher hinterließ, waren die Schaumstoffschwerter in ihren Händen und seine Worte, die in ihren Köpfen widerhallten: „Rettet uns vor Herobrine!“

Kapitel 2

Das Schaumstoffschwert lag auf Rektor Whiners Schreibtisch. Auf den unordentlichen Stapeln von Tabellen, Prüfungsergebnissen und Nachsitzprotokollen wirkte es fehl am Platz. Jedes einzelne Blatt Papier stand für das Schlimmste an einer Schule: Kinder!

Rektor Whiner träumte oft von dem Tag, an dem irgendein Genie entdecken würde, wie man eine Schule ohne diese elenden Monster mit ihren Zahnlücken und Rotznasen leiten könnte. Sie waren laut, ungezogen und machten nur Ärger. Also musste er sie rügen oder bestrafen, was ihm allerdings großen Spaß machte.

Whiner blickte die beiden vor dem Tisch stehenden Jungen finster an. Anthony Thistle und Hamid Parvan. Zwei Paradebeispiele für das, was heutzutage an den Schulen schief lief: Sie mussten Lümmel wie Hamid und Anthony aufnehmen. Anders als viele Lehrer an der North Gray Elementary weigerte sich Rektor Whiner Anthony mit seinem Spitznamen „Ant“ anzusprechen. Spitznamen hatten auf Zeugnissen nichts verloren und lenkten das Kind vom Lernen ab. Oft klangen sie auch noch lustig. Für Rektor Whiner gehörte Spaß jedoch nicht in eine Schule. Niemals.

Whiner nahm das Schwert auf und hielt es, als wäre es ein Popel, den er einem Erstklässler aus der Nase gezogen hatte.

„Das ist aus diesem Spiel, nicht wahr?“

So wie er „Spiel“ aussprach, klang es wie etwas Ekliges. Für Rektor Whiner waren Computerspiele eine Plage. Sie verdarben die Schüler, machten sie faul und gewalttätig. Computerspiele waren die Geißel der heutigen Jugend. Und dieses Minecraft mit seinen Zombies und Skeletten war das schlimmste von allen. Es beschäftigte die Köpfe der Kinder seiner Schule wie kein Spiel zuvor. Sogar die Lehrer spielten es. Einige, wie dieser verrückte Mr. Rodinaldo, wollten das Spiel in den Unterricht miteinbeziehen, denn Schule könnte auch Spaß machen. Aber Schule war nicht dazu da, Spaß zu machen. Als Whiner noch zur Schule ging, war das Lernen noch eine sehr ernste Angelegenheit. Warum sollten die Kinder es heute also besser haben. Keine Frage, Minecraft musste verschwinden. Nicht nur von der North Gray Elementary, sondern von der ganzen Welt. Der erste Schritt auf dem Weg zur Ausrottung dieser Plage begann mit den beiden Jungen vor ihm.

Whiner ließ das Schwert auf den Tisch fallen.

„Also“, sagte er, „wollt ihr mir antworten oder nur stumm da stehen wie zwei Vogelscheuchen?“

Ant holte tief Luft und hob zu einer vorbereiteten Verteidigungsrede an.

„Es gehört zu Minecraft, und es ist absolut harmlos.“ Weiter kam er nicht.

„Harmlos?“, kreischte Whiner mit seiner schrillen, quietschenden Stimme, die er immer dann bekam, wenn er einen unglücklichen Schüler ausschimpfte. „Junger Mann, nichts an einem Schwert ist harmlos, gar nichts! Es kann Menschen ernsthaft verletzen.“

„Es ist aus Schaumstoff“, sagte Ant. „Das wissen Sie schon, oder?“

Hamid zuckte zusammen. Sein bester Freund war gerade dabei, die Angelegenheit noch zu verschlimmern. Whiner zu unterbrechen, wenn er in Fahrt war, führte unweigerlich zu einer Strafe.

„Und wenn es aus Diamanten wäre!“, schimpfte Whiner. „Ihr kennt doch die eiserne Regel: Waffen gehören nicht in eine Schule. Egal, ob aus Schaumstoff, Holz oder Metall!“

Hamid hielt es für das Beste, den Rektor nicht darauf hinzuweisen, dass das blaue Schaumstoffschwert tatsächlich an das Diamantschwert aus Minecraft erinnern sollte. Ant sah das wohl anders und wollte gerade etwas erwidern, doch Whiners Blick ließ ihn verstummen.

Der Rektor sah auf die rosafarbene Notiz, die ihre Mathelehrerin geschrieben hatte.

„Laut Miss Talagrand habt ihr während der Mathearbeit mit dem Schwert gespielt.“

„Wir waren doch schon fertig, Sir“, nuschelte Hamid. Whiner schien seinen Satz beendet zu haben, weswegen Hamid hoffte, dass der Rektor sich nicht unterbrochen fühlte.

„Unterbrich mich gefälligst nicht!“ Vergebens.

Whiner vertiefte sich wieder in die Notiz. „Ihr habt euch gegenseitig durch die Klasse gejagt, das Schwert geschwungen, und einer von euch rief, ich zitiere wörtlich ‚SSSSSSSSSSSSSSSS … BUMM!‘ Hat es so geklungen?“

Ant antwortete trotzig: „Hamid war ein Creeper, Sir. Ich habe nur versucht zu verhindern, dass meine Klassenkameraden in die Luft fliegen.“

Rektor Whiner funkelte ihn wütend an. „Du willst mich wohl zum Narren halten, junger Mann?“

„Nein, Sir. Er sagt die Wahrheit.“ Hamid bemühte sich, keine Miene zu verziehen. Er fürchtete zwar Whiners Reaktion, aber dessen verwirrter Gesichtsausdruck ließ ihn fast laut auflachen.

Hamids Vater würde wütend werden, wenn er hörte, dass sein Sohn schon wieder Ärger hatte. Computerverbot und damit auch kein Minecraft wäre die unausweichliche Folge. Aber er hatte doch noch so viel auf seinem Server zu erledigen. Er musste Plugins updaten und wahrscheinlich auch Griefings rückgängig machen. Es gab immer Griefer, die man aufhalten musste. Er durfte seine Computerzeit also nicht gefährden.

Ant wollte etwas sagen, doch Hamid fiel ihm ins Wort.

„Wir werden es nie wieder tun, Sir. Wir werden jede Bestrafung akzeptieren, wie hoch sie auch ausfällt.“

Hamid fühlte Ants wütenden Blick. Sein Freund wusste nie, wann es besser war, aufzuhören. Er würde es ihm wieder einmal erklären müssen.

„Ein Monat nachsitzen für beide von euch. Ab heute.“

Rektor Whiner drückte seinen Zeigefinger in das Schaumstoffschwert. „Und das hier behalte ich.“

„Aber das können Sie doch nicht tun!“, sagte Ant.

„Und ob ich das kann“, schnauzte Whiner zurück. „Zurück in eure Klasse, bevor ich eure Strafe auf zwei Monate erhöhe.“

Hamid schob Ant aus dem Büro.