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Inhalt

Zu Bens, Glens und Lochs
Die Route(n) – und was man daraus machen kann
Chronik: Daten zur Geschichte Schottlands
22 TAGESROUTEN DURCH SCHOTTLAND
t1 toc1 Edinburgh
»My Own Romantic Town«
toc2 Wo Maria Stuart das Licht der Welt erblickte
Von Edinburgh nach Stirling
toc2 The Heart of Scotland
Stirling
toc2 Ausflug von Stirling
Durch die Trossachs nach Perth
toc2 Ausflug von Stirling
Über die Halbinsel Fife nach Perth
toc2 Wo sich das Schicksal von Macbeth entschied
Von Perth nach Pitlochry
toc2 Die Traumstraße der Highlands
Von Pitlochry nach Inverness
t1 toc2 Wo die Windsors Urlaub machen
Von Perth nach Ballater
toc2 »Guter alter schottischer Trank«
Von Ballater nach Inverness
toc2 In die »Silver City by the Sea«
Von Perth nach Aberdeen und Inverness
toc2 Von Inverness nach Kyle of Lochalsh
Die Hauptstadt der Highlands
toc2 Isle-of-Skye-Rundfahrt:
»Carry the Lad Born to Be King, Over the Sea to Skye«
toc2 Schottlands schönste Küste
Von Kyle of Lochalsh nach Ullapool
toc2 toc2 An das Kap des Zorns
Nach Durness
toc2 Die wellenumtoste Nordküste
Von Durness bis Thurso
toc2 Zu Megalithgräbern, Heimatmuseen und Schlössern
Von Thurso nach Inverness
toc2 Wo Nessie sein Unwesen treibt
Von Inverness nach Oban
toc2 Mull, Staffa und Iona
I Chaluim Cille – Schottlands christliche Zelle
toc2 Zur »Queen of Scottish Lochs«
Von Oban nach Glasgow
toc2 Glasgow
Die Stadt von Charles Rennie Mackintosh
toc2 Ins Robert-Burns-Land
Von Glasgow nach Dumfries
toc2 Zu Schlössern, Bergwerken und Abteien
Von Dumfries nach Edinburgh
DREI EXTRAROUTEN AUF DEN INSELN
toc2 Wo der Tweed herkommt
Ein Besuch auf den Äußeren Hebriden
toc2 Über den Khaibar-Pass nach Stromness
Ein Besuch auf der Orkney-Insel Mainland
toc2 Die Insel des schwarzen Goldes
Eine Rundfahrt auf der Shetland-Insel Mainland
Service von A bis Z
Orts- und Sachregister
Namenregister
Bildnachweis
Impressum
Zeichenerklärung
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Reiseführer mit topaktuellen Tipps, Fotos und Karten

Über Schottland

Für Kilt und Dudelsack, Whisky-Destillen und Hochlandspiele, Macbeth und Maria Stuart, für Sir Walter Scott und Robert Louis Stevenson ist Schottland in aller Welt bekannt. Doch der hohe Norden Großbritanniens hat mehr zu bieten als nur diese Klischees. Zuallererst präsentiert er dem Besucher grandiose Landschaften, ökologisch intakte Naturräume und eine reiche Flora und Fauna. Hohe Bens (Berge), tiefe Lochs (Seen) und enge Glens (Täler) formen das raue Landesinnere und an die fast 5000 Kilometer lange Küstenlinie branden Atlantikwellen und Nordseewogen. Naturfreunde und Wassersportler, Wanderer und Bergsteiger, Radfahrer und Golfer, Hobby-Ornithologen, Angler, Feinschmecker und Kulturbeflissene – jeder kommt im »Alaska Großbritanniens« auf seine Kosten.

Dieser Band führt den Reisen den zuverlässig durch die Metropolen Edinburgh und Glasgow und natürlich auch zu Whisky-Brennereien, Highland Games und dem Seeungeheuer von Loch Ness, weiter zu prachtvollen Adelsschlössern und wehrhaften Burgen, zu romantischen Abteiruinen und düsteren Black Houses.

In 18 Tagesetappen geht es vom südschottischen Hügelland kreuz und quer durch die Highlands bis an die sturmumtoste Nordküste. Für Besucher, die auch die schottischen Inselgruppen erkunden möchten, gibt es drei mehrtägige Ausflugsvorschläge für die Äußeren Hebriden, die Orkneys und die Shetland-Inseln.

In den praktischen Reise-Informationen finden sich ausführliche Hinweise auf Fünf-Sterne-Hotels, preiswerte Pensionen und Bed & Breakfast-Unterkünfte, auf Sehenswürdigkeiten, Schiffsverbindungen, gute Restaurants und gemütliche Pubs.

Über den Autor

Hans-Günter Semsek studierte Soziologie und Philosophie und lernte Großbritannien während eines Studienaufenthaltes kennen. In den vergangenen 30 Jahren hat er jeden Winkel des Inselreiches erkundet. Hans-Günter Semsek ist im August 2011 gestorben. Seitdem werden seine Bücher von erfahrenen Reisejournalisten aktualisiert.

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Schottland

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red left arrow Eine Übersichtskarte von Schottland mit den eingezeichneten Routen finden Sie in der vorderen Umschlagklappe.
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Zu Bens, Glens und Lochs

»Nach Schottland also! Die Koffer waren gepackt, die Billets gelöst, und als der Spätzug sich endlich in Bewegung setzte und majestätisch aus der Halle des Kings-Cross-
Bahnhofes hinausglitt, überlief es mich ähnlich wie 14 Jahre früher, wo es zum erstenmal für mich hieß: Nach England.« Mit diesen Worten beginnt Theodor Fontane seinen schottischen Reisebericht »Jenseit des Tweed«.

1860 hatte der 41-jährige Fontane zusammen mit seinem Freund Bernhard von Lepel die mehrwöchige Reise unternommen, um in Schottland »Plätze historischer Erinnerung oder romantischen Interesses« zu besuchen. England war Fontane von mehreren Aufenthalten bereits gut bekannt, aber den hohen Norden der Insel hatte er bisher noch nicht besucht. Dafür kannte er allerdings die gesammelten Werke von Sir Walter Scott und hatte sich eingehend mit der zuweilen blutigen Geschichte Schottlands befasst. Sein Reisebericht liest sich auch nach eineinhalb Jahrhunderten noch frisch und munter: eine Quelle der Inspiration und Information. Auch der heutige Besucher wird, wenn er das Bändchen mit auf die Reise nimmt, feststellen, dass vieles noch immer so ist, wie Fontane es beschrieben hat. Es heißt übrigens tatsächlich »Jenseit des Tweed« und nicht »Jenseits«, denn, so Fontane, »man muss das ›s‹ in Jenseits fortlassen, wodurch die Leichtigkeit des Aussprechens sehr gewinnt«.

Schottland hat viele Besonderheiten, und eine davon ist die, dass hier Männer zu vielen Gelegenheiten Röcke tragen. Der Kilt, der Schottenrock, auf gälisch feileadhbeagh genannt, entstand aus einem von der Schulter bis zu den Knien reichenden, mantelartigen Plaid, das des Nachts auch als wärmende Decke genutzt wurde; ungefähr im 16. Jahrhundert trennten die Männer den unteren Teil ab, legten ihn fortan in kunstvolle Falten (kilted) und hielten ihn um die Hüfte mit einem Gürtel zusammen. Vorne sorgt die kilt pin, die Rocknadel, dafür, dass die Stoffbahn zusammenbleibt, und vom Gürtel baumelt der sporran hinab. Heutzutage ist dieses seltsame Ding ein kleines Täschchen; urspünglich aber diente der Sporran als Polster zum Schutz der edlen männlichen Körperteile. Die richtige Länge hat so ein Kilt, wenn der Saum bei einem knieenden Mann den Boden berührt. Der Kalauer, was denn genau der Schotte unter dem Kilt trage, kann hier auch gleich beantwortet werden: Es ist und bleibt ein Geheimnis, aber als Hinweis mag dienen, dass einmal vor einer Schlacht die Schotten angeblich ihre Röcke gehoben hätten und die Engländer daraufhin in wilder Panik geflohen seien.

Wie der Kilt, so gilt auch der Dudelsack als ein urschottischer Gegenstand – doch das ist nicht richtig. Denn die bagpipes wurden ursprünglich schon während des 1. Jahrhunderts in Indien entwickelt und sind ein klassisches Hirteninstrument. Bei diesem sogenannten Windkapselinstrument bläst der Spieler Luft in einen Ziegenledersack, die durch Drücken mit der Armbeuge dann in die Schalmeienrohre gelangt und dort die Melodien erzeugt. Vier Pfeifen hat der schottische Dudelsack, davon sind drei die Brummer oder Stimmer, die nur einen einzigen Ton produzieren können, ein wesentlicher Grund, warum die Sackpfeifenmusik durch diesen Hintergrund-Sound ein wenig eintönig klingt. Das vierte Schalmeienrohr hat Grifflöcher und ist die Spieloder Melodiepfeife. Tradtionell zogen die Schotten unter dudelnden Märschen in den Krieg, und es gibt viele Geschichten über stundenlang spielende Sackpfeifer, die mit der Musik – obwohl selbst schon schwerverletzt – ihre Kameraden anfeuerten. Tobias Smollet (um 1721–71), in Schottland geborener Schriftsteller, erzählt in seinem Schelmenroman »Humphrey Clinker« davon, dass Dougal Campbell of Inveraray einen Bagpiper geerbt hatte, der allmorgendlich seine Weckaufgabe verlässlich ausführte und den Quetschsack dudeln ließ, »welcher stark durch die Nase singt, sehr widrig heult und einem, auch nicht einmal zartgewöhnten Ohre, völlig unausstehlich ist, wenn er durch den Widerhall eines gewölbten Vorplatzes noch verstärkt wird«. Ein ererbter Dudelsackspieler ist aber nun einmal nicht zur freiwilligen Aufgabe seiner Tätigkeit zu bewegen, und so zeigte sich Dougal Campbell »froh, dass er seine Ohren mit Baumwolle verstopfen, seinen Kopf mit drei oder vier Nachtmützen beschützen und alle Morgen in das entlegenste Zimmer seiner Wohnung fliehen kann, um dieser täglichen Plage zu entgehen«.

Mindestens seit dem 14. Jahrhundert wird der Quetschsack in Schottland gespielt, das weiß man deshalb so genau, weil an der Abteikirche von Melrose die phantasiebegabten Steinmetze ein dudelsackblasendes Schwein aus dem Stein hämmerten.

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Selten sind so viele Dudelsäcke auf einmal zu hören: »The Great Tattoo« vor Edinburgh Castle

So seltsam wie der Männerrock und der Dudelsack sind auch die Highland Games, die schottischen Hochlandspiele. Zu den Disziplinen zählen Hammerwerfen, so etwas wie Kugelstoßen, Seilziehen und das tossing the caber. Bei diesem sportlichen Höhepunkt der Spiele müssen die Athleten einen rund sechs Meter langen und 80 Kilogramm schweren Baumstamm aufnehmen und dann so fortschleudern, dass der Stamm einen Salto schlägt und der caber nun gerade vom Werfer fortzeigt. Groß ist der Jubel im Publikum, wenn es einer der Kraftmeier schafft. Allerdings sind die auch Gathering genannten Spiele nicht nur etwas für Muskelpakete, denn auch die Darbietungen der Tänzerinnen und Dudelsackspieler werden von den Schiedsrichtern bewertet. Die Bagpipers beweisen, dass sie klassische schottische Weisen für gefallene Helden (Laments), militärische Märsche (Pibrochs) und Tanzmelodien (Reels) auf ihrem Instrument beherrschen, und die jungen Mädchen tanzen mit wirbelnden Beinen einen Highland Fling oder den berühmten Schwerttanz, bei dem zwei Schwerter kreuzförmig ausgelegt sind, die nicht mit den Füßen berührt werden dürfen. Der Überlieferung nach geht der Tanz auf König Malcolm zurück. Als der einmal in der Schlacht einen Widersacher erschlagen hatte, nahm er das Schwert des Toten, kreuzte es mit dem eigenen und vollführte einen Triumphtanz. Man nimmt auch an, dass die Spiele auf sportliche Manöver zurückgehen, die König Malcolm vor rund 1000 Jahren zur Ertüchtigung seiner Leute ersann.

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Die bukolische Landschaft der Lowlands bei Girvan

Der Besucher, der mit dem Auto von England nach Schottland wechselt, durchfährt im Westen das Solvay-Küstentiefland oder im Osten das Tweed-Tyne-Tiefland, beides recht »unschottische« Landschaften. Die Ufer am Solvay Firth bilden eine Flachküste mit Dünen, Watt und dahinter Äckern und Wiesen. Statistisch gesehen gibt es hier durch die Auswirkungen des Golfstromes nur 13 Schneetage im Jahr, und so zählt diese Region zu den Winterrefugien der schottischen Wasservögel. Das Tweed-Tal hingegen ist eine Moränenlandschaft mit Klippenküste.

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Highländer aus dem hohen Norden

Dieses Flachland geht in die Southern Uplands, in das südschottische Hügelland, über. Im Osten ragen die heidekrautbewachsenen Moore der bis 533 Meter hohen Lammermuir Hills auf, es folgen gen Westen die einsamen Tweedmuir Hills, dann die 844 Meter hohen Merrick-Berge. Hier liegen der Schwerpunkt der schottischen Aufforstungsbemühungen sowie große Schafzuchtregionen.

Nördlich der Southern Uplands schließt sich zwischen Edinburgh und Glasgow das mittelschottische Tiefland an, das im Nordosten von Ackerland und im Südwesten von Viehweiden beherrscht wird. Gegliedert wird die Gegend durch die tief ins Land schneidenden Firth-, Tay- und Clyde-Fjorde, durch den Loch Lomond, Schottlands größten See, und durch die isoliert aufragenden Lennox und Ochil Hills.

Weiter nördlich nun beginnt die wildromantische Landschaft der Grampian Highlands, deren Küsten zerrissen und deren Täler tief eingeschnitten sind. Dies ist das Land der lochs (Seen und Fjorde), der glens (Täler) und der bens (Berge), und die Landschaft wird vom Wetter bestimmt. Die von den Atlantikwinden herangeschobenen Wolkenmassen entladen ihre feuchte Last aus Regen oder Schnee; bis zu 4000 Millimeter Niederschlag gehen über dem Hochland im Jahr nieder. Der scharfe Wind, der über die Berge und durch die Täler pfeift, verhindert eine größere Vegetation; die Baumgrenze liegt selbst in geschützten Ostlagen nur bei 600 Metern, an der West - küs te sogar unter 200 Metern. Dicke Hochmoore überziehen die Bergflanken. Im südwestlichen Hochland ragt der Ben Nevis auf, mit 1343 Metern der höchste Berg der britischen Insel. Auf seinem Gipfel gehen jährlich fast 4500 Millimeter Schnee nieder, die Vegetation ist arktisch-alpin. Im nordöstlichen Hochland erreichen die Spitzen der aus rotem Granit bestehenden Cairngorm Mountains immerhin noch Höhen bis 1240 Meter. Diese Hügel sind sanfter geschwungen als die im Westen und von Berglandheiden überzogen. Die Wälder hier gehören zu den ausgedehntesten Forsten Schottlands.

Die Grampian Highlands enden an dem diagonal von Südwesten nach Nordosten verlaufenden Great Glen, dem großen, von der letzten Eiszeit gebildeten tiefen Bruchgraben. Drei schmale Seen füllen die Senke und sind verbunden durch den Kaledonischen Kanal, der im letzten Jahrhundert den Fischern diente und heute den Hobby-Kapitänen einen sicheren Weg vom Atlantik in die Nordsee bietet. Jenseits des Great Glen schließen sich die nordwestlichen Hochlande an, deren Hügelschultern mit Hochmooren, Wollgras und Heide bestanden sind. Die Region zählt zu den einsamsten Schottlands, nicht einmal zehn Einwohner kommen hier auf einen Quadratkilometer. Die nordwestliche und nördliche Hochlandküste ist durch Buchten und tief ins Land reichende Fjorde stark zergliedert und gehört zu den landschaftlich attraktivsten Gegenden im hohen Norden.

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Einsam und voller Reize: die Nordküste, hier bei Kinlochbervie

Die Inneren Hebriden mit den größeren Inseln Skye, Mull und Islay sind ähnlich stark zerfurcht. Die bis zu 900 Meter hohen Gipfel der Isle of Skye stecken oft in den Wolken und sind von Mooren und Zwergstrauchheiden überzogen; das alpine Grasland beginnt bereits bei 570 Metern. Die Äußeren Hebriden bieten dem Besucher ein ähnliches Bild, das Klima hier ist ozeanisch mild. An acht von zehn Tagen fällt Regen, jedoch nur an acht Tagen im Jahr geht Schnee nieder. Der ständige Wind hält die Baumgrenze niedrig. An den westlichen Inselküsten branden die Wellen des Atlantik an und zermahlen hier den Stein; die Buchten sind mit langen Sandstränden geschmückt.

Von den beiden nördlichen Archipelen heißt es, dass sie ein Schottland im Kleinen darstellen. Die Orkneys sind aus rotem Sandstein geschichtet und ragen bis zu 477 Meter aus dem Nordmeer. Nur wenige Regionen lassen Ackerbau zu, der Rest ist von Torfmooren und Riedgrasland überzogen. Die Shetlands bestehen aus härterem Gestein, zeigen tiefe Fjorde, hohe Klippen und große Felstrümmer; fast 90 Prozent der Fläche sind Ödland, Rauhweide oder Moore.

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Im Hafen von Portree, Isle of Skye

Über die Jahrhunderte waren Schotten und Engländer verfeindet, eine verlorene Schlacht reiht sich an die nächste. Immer wieder fielen die Engländer beim armen Nachbarn ein und überzogen die einzig fruchtbaren Lowlands, das südschottische Hügelland, mit Krieg. Mehrmals innerhalb einer Generation wurde geplündert und geraubt, ein städtisches Leben mit Handwerk und Handel konnte sich unter diesen Umständen kaum entwickeln. Schottland blieb immer bitterarm.

Aber auch in den eigenen Reihen herrschte über viele Jahrhunderte ein einzig Hauen und Stechen. Die schottische Gesellschaft war nach keltischem Vorbild in Clans organisiert, denen ein chieftain vorstand. Der innere Zusammenhalt einer solchen Gemeinschaft basierte auf den verwandtschaftlichen Beziehungen zum Clan-Chef; als Besitzer des Landes verteilte er dies an seine »Untertanen« und wurde im Gegenzug mit Waren und Dienstleistungen versorgt. Vor allem aber bei lokalen Kriegszügen, wo der Clan-Häuptling seinen Reichtum gerne mit dem nachbarschaftlichen Vieh mehrte, mussten die Männer ihrem Chieftain treu und ergeben zur Seite stehen. Schottland wurde also auf der Graswurzelebene über die Jahrhunderte von vielen kleinen Feudalherren regiert, die sich gegenseitig mit militärischen Aktionen überzogen. Theodor Fontane notierte auf seiner Schottlandreise: »Überall dieselbe Geschichte von einem Chief oder Häuptling, der einen anderen Chief zu Gaste geladen und ihm den Kopf eines Vaters oder Sohnes als Tafelverzierung auf den Tisch gestellt hat; überall eine Clanschlacht, ein Waten in Blut ...« Und Stefan Zweig schrieb in seiner Maria-Stuart-Biographie über die schottischen Clan-Chefs: »... kennen diese unbeschränkten Gebieter ihrer Clans keine andere Daseinsfreude als den Krieg, Streit ist ihre Lust, Eifersucht ihr Antrieb, Machtgier ihr Lebensgedanke ...«. Rauh waren die Zeiten in jenen dunklen, mittelalterlichen Tagen.

Die große tragische Figur des Landes ist Maria Stuart. Die junge, bildschöne Königin machte in ihrem Leben so ziemlich alles falsch. Maria beging ihren ersten Fehler, als sie nach dem Tod ihres französischen Prinzgemahls nach Schottland zurückkehrte; ihr zweiter lag in der Hochzeit mit dem zwar gutaussehenden, aber ebenso dümmlichen wie machtversessen Lord Darnley. Marias dritter Fehler war es, sich in die starken Arme von Lord Bothwell zu stürzen, der als ihr Geliebter den Gatten Darnley beseitigte. Als die schottischen Adligen nun die Nase von den Affären ihrer Herrscherin voll hatten, beging diese ihren vierten Fehler und bat um den Schutz der englischen Königin Elisabeth, anstatt nach Frankreich zu fliehen, wo sie viele Verbündete hatte. Elisabeth ließ die Schottin 19 Jahre lang auf verschiedenen Schlössern weitab von London mit einem ganzen Hofstaat unter Hausarrest stellen. Maria, auf der Suche nach Freiheit, entfaltete nun ein Komplott nach dem nächsten, wollte schließlich Elisabeth ermorden lassen und wurde dabei enttarnt. Doch trotz der eindeutigen Beweise des Prozesses konnte sich Elisabeth nicht entschließen, das Hinrichtungsdekret zu unterschreiben; es war ihre feste Meinung, dass gekrönte Häupter nicht das Recht hätten, einander zu richten. Dann signierte sie den Todesbefehl aber doch, gab ihrem Minister jedoch mündlich zu verstehen, dass sie trotzdem noch keine Hinrichtung wünsche. Doch die Hofschranzen wollten Maria tot sehen, und Stunden nach der Unterzeichnung, am 8. Februar 1587, starb die schottische Königin unter dem Schwertstreich des Henkers. Elisabeth war wütend, sie wusste, dass Maria nun als tragische und damit als moralisch überlegene Gestalt in die Geschichte eingehen, auf ihr dagegen der Schatten des Todes lasten würde.

Ist Maria Stuart die tragische, so ist Macbeth die böse Figur des Landes. Da Königsmorde nichts Seltenes in Schottlands Geschichte waren, hätte man Macbeth längst vergessen, wenn Shakespeare ihn nicht unsterblich gemacht hätte. Dabei nahm es der große Barde mit der historischen Wahrheit nicht so genau und leistete sich weitgehende dichterische Freiheiten. So wurde Duncan laut Shakespeare im Schlafe gemeuchelt, und zwar entweder in Cawdor, Glamis oder Inverness Castle. Doch weit gefehlt, Macbeth erschlug König Duncan 1040 in offener Feldschlacht nahe der Stadt Elgin. Dann herrschte er für 17 Jahre und brachte seinem Land in dieser langen Zeit Frieden und wirtschaftlichen Wohlstand – etwas, das man nur von wenigen schottischen Herrschern sagen kann. Er pilgerte sogar nach Rom. 1057 tötete Duncans Sohn den Mörder seines Vaters, ebenfalls in einer Feldschlacht, und avancierte mit der Tat zum neuen König Malcolm III.

In den USA gibt es sechs Städte mit dem Namen Glasgow, acht Städte mit dem Namen Edinburgh, und immer noch vier Städte heißen Inverness. Das lässt auf eine starke Auswanderung schließen; in der Tat verließen Hunderttausende von Schotten im vergangenen Jahrhundert ihr Land – nicht freiwillig natürlich!

In den traditionellen Schafzuchtgebieten der Lowlands war es den Herdenbesitzern gegen Ende des 18. Jahrhunderts gelungen, widerstandsfähigere Schafe zu züchten, die fortan auch auf den nördlicheren Weidegebieten der klimatisch rauhen Highlands grasen konnten. Die Clan-Chefs verpachteten den Lowland-Züchtern große fruchtbare Weideflächen und vertrieben die crofters von den halbwegs ertragreichen Böden. Als die Herden immer größer wurden, die Clan-Chefs immer mehr Ländereien gewinnbringend verpachten konnten, da begannen sie die Kleinbauern systematisch von ihrem Land wegzukaufen und bezahlten ihnen die Überfahrt nach Amerika. Wer nicht freiwillig gehen wollte, dem zündeten die Schergen der Großgrundbesitzer die armseligen shiels über dem Kopfe an und vertrieben die Familien gewaltsam. Aufstände brachen nun im Hochland aus, die von den Chieftains gewaltsam niedergeschlagen wurden, und derjenige konnte sich glücklich schätzen, der in Ketten aber lebend auf ein Auswanderungsschiff gebracht wurde. Als Land Clearances, als die Bereinigung des Hochlandes, ist diese Vertreibungsphase in die schottische Geschichte eingegangen.

Bis noch vor gar nicht so langer Zeit konnte man in Schottland auf Hauswände gesprühte Sätze finden wie Brits out now, oder Independence, ein sichtbares Zeichen, dass die Schotten es leid waren, von London aus regiert zu werden. Schon 1928 war die Scottish National Party (SNP) gegründet worden, der aber erst seit Beginn der sechziger Jahre bei jedem Urnengang mehr Wähler zuliefen. Die für fast zwei Jahrzehnte regierenden Tories, die Konservativen, taten wenig für die Wirtschaft im hohen Norden, saugten aber die durch das Nordsee-Erdöl sprudelnden Gelder weitgehend nach London ab und beließen nur das Nötigste in Schottland. Weiterhin erboste die Schotten das Mehrheitswahlrecht in Großbritannien. Bei einem Urnengang in den 1990er-Jahren hatten fast 75 Prozent der Schotten die SNP und Labour gewählt, die sich beide für eine Autonomie einsetzten. Dennoch kamen dank des Mehrheitswahlrechts wieder die Tories an die Regierung und höhnten: »Ein Schottland auf eigenen Füßen wäre doch nur ein neues Albanien.«

Im Mai 1997 hatten nicht nur die Schotten, sondern auch die Engländer und Waliser genug von den Konservativen. Mit großem Stimmenvorsprung gewann Labour die Wahl; schon sechs Monate später fand im hohen Norden das versprochene Referendum zur Teilautonomie statt. Mit überwältigender Mehrheit votierten die Schotten für eine weitgehende Unabhängigkeit und für ein eigenes Parlament. Mitte 1999 dann eröffnete Königin Elisabeth I. zum ersten Mal seit dem Act of Union vor 292 Jahren wieder eine schottische Volksvertretung. Und im Jahr 2004 wurde auch das neue Parlamentsgebäude fertiggestellt.

Die Schotten gelten als sehr tolerant, was sie 1999 eindrucksvoll bewiesen: Die Bank of Scotland wollte verstärkt in den USA Fuß fassen, hatte sich als Partner bei dem Prediger Pat Robertson eingekauft und Werbespots in dessen Fernsehsendungen geschaltet. Was der extrem reaktionäre Eiferer in seinen Predigten dann vom Stapel ließ, machte in Schottland außerordentlich schnell die Runde und verärgerte die Schotten bemerkenswert tief. Familienplanung stellte Robertson fest, diene dem Ziel »Ehebruch zu begehen, jeder Art von Bestialität Vorschub zu leisten, Homosexualität und Lesbentum zu fördern«. Nach diesen Worten gingen erste Beschwerden beim Management der Bank ein, doch die Führung hatte längst die Bodenhaftung verloren, operierte mit ihren Marketingstrategien offenbar im Vakuum und nahm die Briefe nicht ernst. In seiner nächsten Predigt verkündete Robertson, dass die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz nichts anderes sei, »als eine sozialistische, antifamiliäre Bewegung, die Frauen dazu ermutige, ihre Männer zu verlassen, ihre Kinder umzubringen, Hexentum zu praktizieren, den Kapitalismus zu zerstören und Lesben zu werden.« Ein neuerlicher Proteststurm der Schotten fegte über die Bank hinweg, die sich allerdings weiterhin uneinsichtig zeigte. In seiner dritten Predigt dann ließ der irregeleitete Fanatiker Folgendes vom Stapel: »In Europa ist Toleranz das große Wort. Die Homosexuellen beherrschen de facto die Medien. Und für Schottland gilt das ganz besonders. Es ist kaum vorstellbar, wie sehr das der Fall ist. Schottland könnte ganz leicht ins Mittelalter zurückfallen.«

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Fontane nannte sie »Athen des Nordens«: Schottlands Metropole Edinburgh

Jetzt reichte es! Nicht nur Abertausende von neuerlichen Einzelschreiben erreichten die Bank, vielmehr drohten ganze Landkreise damit, ihre Kontoverbindungen mit der Bank of Scotland zu kündigen, die Führungsspitzen vieler schottischer Firmen, aber auch das Management von englischen Geschäftsbereichen schlossen sich dem Protest an. Die Bank stand kurz vor einem Disaster und kündigte nun endlich den Vertrag mit Robertson.

Die Route(n) – und was man daraus machen kann

Die Strecken in diesem Reiseführer sind so angeordnet, dass man in einem dreiwöchigen Urlaub (18 Ferientage zuzüglich ein Anreise- und ein Abfahrtstag) die landschaftlichen und kulturellen Highlights in Schottland besuchen kann.

Von Edinburgh führt die Route in einem großen Bogen nach Stirling, und hier hat der Besucher die Auswahl zwischen zwei Ausflügen: Der eine bietet mehr landschaftliche Reize, der andere mehr kulturell bedeutsame Sehenswürdigkeiten.

Von Stirling geht es weiter nach Perth. Von dort aus führen nun drei unterschiedliche Routen durch die zentralen Highlands nach Inverness. Diese drei Strecken sind nur mit großem zeitlichen Aufwand kombinierbar, da es in jenem Teil des Landes kaum Ost- West-Verbindungen gibt. So muss man sich also für eine Strecke entscheiden.

Von Inverness verläuft die weitere Route quer durch das einsame zentrale Hochland an die Westküste zum Örtchen Kyle of Lochalsh, das Ausgangspunkt für die Rundreise auf der Isle of Skye ist.

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Danach geht es die nördliche Westküste hoch über den Fischerort Ullapool bis zur nordwestlichsten Stadt Durness, dann weiter gen Osten die Nordküste entlang bis zur nordöstlichsten Ansiedlung, John O’Groat’s. Von dort nimmt man den Weg an der Ostküste gen Süden zurück nach Inverness.

Von Inverness folgt unsere Route nun der Bruchlinie des Caledonian Glen nach Fort William und weiter nach Oban an der Westküste. Die weitere Strecke führt an einem Teil der Westküste entlang, am Loch Lomond, Schottlands größtem See, vorbei und erreicht Glasgow. Von Glasgow aus fahren wir in einem großen Bogen durch das südschottische Hügelland wieder zum Ausgangspunkt Edinburgh.

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Natur pur hat jede schottische Region zu bieten, hier auf den Orkneys

Wer noch mehr Zeit hat, den wird es sicher auf die schottischen Inseln ziehen, etwa auf die Isle of Lewis and Harris, die zu den Äußeren Hebriden gehört. Das größte Eiland des Orkney-Archipels heißt Mainland, und dorthin kommt man mit der Autofähre von Scrabster aus, dem Hafenort von Thurso. Auf die Shetlands, deren Hauptinsel ebenfalls Mainland heißt, sollte man fliegen, z.B. von Aberdeen aus. Die Fährüberfahrt dauert mehr als zwölf Stunden.

Der Besucher, der nur 14 Tage zur Verfügung hat, sollte sich den hohen Norden sparen und von Ullapool wieder in Richtung Südosten nach Inverness fahren. Auch für die Lowlands, für das südschottische Hügelland, hat man bei nur zwei Wochen Ferien keine Zeit. Die wichtigsten Regionen und Sehenswürdigkeiten kann man aber auch in dieser Zeit alle besuchen.

Chronik
Daten zur Geschichte Schottlands

Prähistorische Zeit

4000–2500 v.Chr. Neolithische Siedler erreichen vom Atlantik her die Küste Schottlands.
2000–1000 v. Chr. Die bronzezeitlichen Glockenbecherleute, die nach der charakteristischen Keramik benannt wurden, wandern vom Kontinent in den Norden der britischen Insel ein, schürfen nach Kupfer und handeln mit Metallgegenständen.
4. Jh. v. Chr. 122 Keltische Skoten dringen bis nach Schottland vor.
Die Römer schlagen einen Aufstand im Norden Britanniens nieder. Als Schutz vor den räuberischen Pikten befiehlt Kaiser Hadrian den Bau des nach ihm benannten Walles; fünf Jahre bauen die Römer an dem 120 Kilometer langen Hadrianswall. Der englische Limes erstreckt sich vom Solvay-Fjord im Westen bis zur Mündung des Tyne im Osten.
Ab 143 Auf schottischem Gebiet legen die Römer eine noch weiter nördlich vorgeschobene Mauer an, den 65 Kilometer langen Antoniuswall, der vom Firth of Forth im Westen bis zum River Clyde im Osten reicht.
397 n.Chr. Der hl. Ninian begründet eine christliche Mission auf der Isle of Whithorn, einer Halbinsel in Südwestschottland.
5. Jh. Vier Königreiche entstehen: die Pikten im Norden, die Skoten im Westen, die Britonen und Angeln im Süden.
410 Die Römer verlassen Britannien, um die Westgoten aus Rom zu vertreiben.

The Dark Ages – Britanniens »dunkle Jahre«

563 Der hl. Columban zieht mit einer Anzahl getreuer Brüder aus Irland auf die vor der schottischen Westküste gelegene Insel Iona und gründet ein Kloster.
8. Jh. Die Wikinger beginnen ihre Raubzüge entlang der schottischen Küsten, dringen über die Flüsse auch ins Landesinnere ein und lösen für ein halbes Jahrtausend Angst und Schrecken bei der Bevölkerung aus.
Um 843 Kenneth MacAlpin von Dalriada († 858) vereint die Stämme der Skoten und Pikten und wird erster König von Schottland (Scotia). Königliche Residenz ist Scone beim heutigen Perth.
973 Der englische König Edgar der Friedfertige wird vom schottischen Herrscher als Overlord anerkannt.
1040 Macbeth erschlägt König Duncan in offener Feldschlacht bei der heutigen Stadt Elgin.
1057 Malcolm, Duncans Sohn, rächt den Tod seines Vaters, ermordet Macbeth und wird als Malcolm III. Canmore (Großkopf) König von Schottland (reg. 1057–93).

Die langsame Anglisierung Schottlands

1068 Durch die Heirat von Malcolm III. Canmore mit der Angelsächsin Margarete kommt es zu einer beginnenden Anglisierung Schottlands. Unter den drei Söhnen von Malcolm und Margarete, Edgar (reg. 1097–1107), Alexander I. (reg. 1107–24) und David I. (reg. 1124–53) nimmt die Verflechtung mit England weiter zu. David nutzt die Schwäche des englischen Königs Stephan aus und versucht, die Südgrenze Schottlands zu verschieben.
1138 David wird in der »Schlacht der Standarte« vom englischen Heer unter Führung des Erzbischofs Thurstan von York entscheidend geschlagen. Das englische Lehnswesen gewinnt an Einfluss in Schottland.
1174 Wilhelm I. der Löwe (reg. 1165–1214) muss im Vertrag von Falaise den englischen König als Lehnsherr über Schottland anerkennen, diese Bindung wird 1189 aber schon wieder gelöst.
1237 Alexander II. (reg. 1214–49) muss die Tweed-Solvay-Linie als Südgrenze seines Reiches anerkennen, trotzdem kommt es zu weiteren Grenzscharmützeln.
1249–86 Herrschaft des letzten Canmore-Königs Alexander III. Schottland erlebt eine Phase des Friedens und der wirtschaftlichen Blütezeit. Alexander verbündet sich mit den Norwegern, seine Enkelin Margarete heiratet Kö nig Erich III. Magnussen.
1263 Schlacht von Largs. Die Wikinger werden für immer vertrieben.
1286 Margarete, The Maid of Norway, wird nach Alexanders Tod von den Schotten als Königin anerkannt.

Die schottischen Unabhängigkeitskriege

1290 Es gelingt dem englischen König Edward I., seinen Sohn Edward von Caernarvon mit Margarete zu verheiraten, wobei im Vertrag von Birgham die Unabhängigkeit Schottlands ausdrücklich anerkannt wird. Margarete stirbt noch im selben Jahr, und die Engländer vestärken sofort die Be mühungen, Schottland in ihre Gewalt zu bekommen.
1296 Edward I. übernimmt persönlich die Herrschaft in Schottland und raubt den Stone of Scone, den schottischen Krönungsstein.
1297 Aufstand gegen England. In der Schlacht bei der Stirling Bridge schlagen die Schotten unter der Führung von William Wallace »Braveheart« die englischen Truppen von Edward I. vernichtend.
1298 Als Vergeltung fallen die Engländer ein Jahr später erneut in Schottland ein und siegen in der Schlacht von Falkirk.
1306–29 Robert Bruce ermordet seinen Rivalen um den Thron und übernimmt die Herrschaft in Schottland.
1314 Schlacht von Bannockburn (bei Stirling). Robert Bruce und sein Heer setzen den stetigen englischen Einfällen ein Ende, und Bruce wird landesweit als König anerkannt.
1320 Declaration of Arbroath – die konsequente Zurückweisung des englischen Einflusses. Hier heißt es: »Wir kämpfen nicht für Ruhm oder Reichtum oder Ehre, sondern einzig und allein für die Freiheit. Nie und nimmer werden wir uns englischer Herrschaft unterwerfen.«
1328 Im Treaty of Northampton akzeptieren die Engländer die Souveränität der Schotten, dennoch geben die südlichen Nachbarn unter Edward II. keine Ruhe und halten sich nicht an ihr Wort.

Die Herrschaft der Stuarts

1371 Während der schwachen Herrschaft der ersten beiden Stewart-Könige Robert II. (1371–90) und Robert III. (1390–1406) verliert die Krone an Ansehen, und der Adel wird mächtiger. Lehnswesen und Besteuerung verfallen. Die Schreibweise der Dynastie wird später in Stuart geändert.
1423–37 James I. gelingt es wenigstens einigermaßen, die Initiative über den Adel zu erlangen, doch die Jahre der fehlenden Kontrolle haben das Unabhängigkeitsgefühl des Adels verstärkt. Der fähige und energische König wird ermordet.
1488–1513 Herrschaft von James IV., der die Verbindungen zum französischen Königshaus stärkt und dank seiner Heirat mit der Tochter des englischen Monarchen Heinrich VII. Schottland eine friedliche Ära und einhergehend damit eine wirtschaftliche Blütezeit beschert. Mit Übernahme der Regierungsgeschäfte von Heinrich VIII. ändert sich diese friedliche Periode. Der englische König liegt mit Frankreich im Krieg und verlangt von Schottland klare Entscheidungen. Als James IV. loyal zu Frankreich steht, kommt es zur Schlacht von Flodden, in der der schottische König den Tod findet. James V. besteigt den Thron.
1542 Tod James V. und Geburt von Maria Stuart in Linlithgow Palace.
1542–60 Der fanatische schottische Reformator John Knox sorgt mit seinen aggressiven Predigten dafür, dass seine Anhänger katholische Kirchen niederbrennen. 1547 sichert ein französisches Expeditonskorps den katholischen Glauben in Schottland.
1565 Maria Stuart heiratet ihren Cousin Lord Darnley, der sich schnell als unfähiger Regent und schlechter Ehemann zeigt.
1566 Lord Darnley ermordet vor den Augen von Maria ihren Privatsekretär David Rizzio. Der Sohn von Maria Stuart, der spätere James VI., erblickt in Edinburgh Castle das Licht der Welt. Ein halbes Jahr später bringt Marias Geliebter, Lord Bothwell, ihren Mann Lord Darnley um und heiratet kurz darauf die schottische Königin. Der schottische Adel ist empört, Maria Stuart muss nach England fliehen. Dort lebt sie für 20 Jahre unter Hausarrest.
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Karte um 1650

1587 Nach einer aufgeflogenen Mordintrige gegen Elisabeth I. wird Maria Stuart hingerichtet.
1603 Nach dem Tod der englischen Königin Elisabeth I. wird der schottische Monarch James VI. als James I. auch Herrscher von England.
1640–49 In England tobt der Bürgerkieg zwischen den Königstreuen und den Anhängern des Parlaments. Die schottischen National Covenanters ergreifen Partei gegen den englischen Herrscher Karl I.
1649 Oliver Cromwell lässt Karl I. hinrichten, und sofort wird in Schottland dessen Sohn als Karl II. zum König ausgerufen. Cromwell marschiert daraufhin in Schottland ein, schlägt die Anhänger des neuen Monarchen und regiert nun als Lord Protector England, Schottland und Irland.
1660–85 Nach dem Tod Cromwells kommt es zur Restauration des Königshauses, Karl II. avanciert zum englischen und schottischen Herrscher.
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Karl II., 1651 schon zum König von Schottland gekrönt, wurde 1660 König von England

Schottland im Vereinigten Königreich

1707 Nach großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten lassen sich Schottlands Probleme nur mit der Union of the Parliaments lösen; Schottland geht im Königreich Großbritannien auf.
1746 Schlacht von Culloden; Char les Edward Stuart, von den Schotten liebevoll Bonnie Prince Charlie genannt, Sohn des ins Exil getriebenen James VII., hatte die schottischen Clans zum Kampf gegen England überredet. Am 16. April jedoch werden die Hochländer in der Schlacht von Culloden vollständig hingemetzelt; Bonnie Prince Charlie gelingt die Flucht. Die junge Flo ra MacDonald schmuggelt den Prinzen, verkleidet als ihre Kammerzofe Betty Burke, durch die Linien der Engländer. Die gälische Sprache, Kilt und Dudelsack werden verboten, viele Clans enteignet; die Engländer wollen die schottische Kultur vollends ausmerzen.
1790 Durch die Eröffnung des Forth-Clyde-Kanals kommt es vor allem in Glasgow zu einem wirtschaftlichen Aufschwung.
1814 Die Land Clearances erreichen im Year of the Burning ihre schlimmsten Auswirkungen. Die Großgrundbesitzer vertreiben ihre Pächter vom Land, um Weideflächen für die riesigen Schafherden zu bekommen. Viele Schotten wandern in die USA aus.
1822 George IV. erlaubt wieder das Tragen des Kilts.
1842 Erster Schottland-Besuch von Queen Victoria und Albert von Sachsen- Coburg. Die Königin ist von Schottland fasziniert, lässt Schloss Balmoral bauen und lebt jedes Jahr viele Monate im hohen Norden. Dank ihrer Be geisterung stellt sich eine Schottland-Renaissance ein.
1928 In Schottland konstituiert sich die Scottish National Party (SNC), deren Ziel ein unabhängiges und von England autonomes Schottland ist.
Ab 1945 Stetiger Verfall der schottischen Wirtschaft, vor allem in Glasgow schließen Werften und Stahlwerke; die Arbeitslosigkeit wird immer größer.
1965 Als Antwort darauf wird das Highland and Island Development Board geschaffen, um in den strukturschwachen Gebieten im hohen Norden sowie auf den Inseln wirtschaftliche Entwicklungsschübe in Gang zu setzen.
1966 Seit man Öl in der Nordsee entdeckt hat, entwickelt sich Aberdeen zum zentralen Versorgungshafen für die Ölplattformen. Viele Zulieferfirmen und petrochemische Unternehmen lassen sich in der Stadt nieder.
1974/75 Schottland erfährt eine Verwaltungsreform. Die Administrationen der counties und burghs werden aufgelöst und durch neun Regionen ersetzt.
1987 Die konservative Partei gewinnt die Wahl, und auch im Wahlgang von 1992 siegen die Tories. Ob wohl die meisten Schotten Labour gewählt hatten, profitierten die Konservativen vom Mehrheitswahlrecht.
1996 Die Engländer geben nach genau 700 Jahren den von Edward I. geraubten Stone of Scone zurück.
1997 Die Labour Party gewinnt die Wahlen in Großbritannien; schon ein halbes Jahr später lässt Tony Blair eine Volksabstimmung über ein eigenes Parlament abhalten. Die Schotten entscheiden sich mit überwältigender Mehrheit für eine eigene Volksvertretung.
1999 Königin Elisabeth II. eröffnet das schottische Parlament und bestätigt da mit formell die Teilautonomie des Landes.
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Prinz Charles Edward Stuart, genannt Bonnie Prince Charlie

2004 Die schottischen Abgeordneten beziehen ihr neues Parlament
2006 Seit dem 26. Mai ist das Rauchen in sämtlichen öffentlichen Räumen in Schottland verboten.
2008 Bei den schottischen Kommunalwahlen stürzt die vormals höchst populäre Labour Party ab und ist nach den Tories und den Liberalen nur noch die drittstärkste Kraft.
2010 Vor Schottlands Küste wird ein großes Ölfeld entdeckt. Man hofft, dass dieser Fund der Nordseeölindustrie einen neuen Schub geben wird.
2011 Im Mai gewinnt die Scottish National Party (SNP) mit überwältigender Mehrheit die Kommunalwahlen.
2012 Der schottische Ministerpräsident Alex Salmond kündigt ein Referendum zur Unabhängigkeit Schottlands für 2014 an.

22 TAGESROUTEN DURCH SCHOTTLAND

Image Edinburgh
»My Own Romantic Town«

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1. Programm: Edinburgh

Vormittag Scott Monument, Writer’s Museum, Edinburgh Castle, Grassmarket (Lunch in einem der Pubs rund um Grassmarket).
Nachmittag Museum of Scotland/Royal Museum, St. Giles Cathedral, John Knox House, Holyrood Palace.
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Blick über die Old Town mit St. Giles Cathedral

Edinburgh ist seit dem 15. Jahrhundert die Kapitale Schottlands, zählt heute rund 500 000 Einwohner und gehört zu den schönsten Städten des gesamten Inselreiches. Darüber hinaus ist die Metropole das kulturelle und administrative Zentrum des Landes. Bedeutende Museen, eine der größten Burganlagen Europas, ein prachtvoller königlicher Palast, viele geschichtsträchtige Häuser, eine Reihe von Theatern, aber auch gute Geschäfte des gehobenen Einzelhandels, gemütliche Pubs und exzellente Restaurants lassen beim Besucher keine Langeweile aufkommen. Und alljährlich im Sommer findet in Schottlands Hauptstadt das größte Kulturfest der Welt statt. Das Edinburgh Festival zieht dann zwei Millionen Besucher in seinen Bann, für die vom klassischen Symphoniekonzert über Ballett bis hin zur experimentellen Theateraufführung wahrhaft alles auf die Bretter kommt, die die Welt bedeuten. Nach London ist Edinburgh die am meisten besuchte Stadt Großbritanniens, und alle, die auf einem Besichtigungsspaziergang oder einem Shopping Trip durch die Straßen geschlendert sind, werden nicht müde, die Atmosphäre und Attraktivität der Kapitale zu loben.

»My own romantic town« nannte Sir Walter Scott die schottische Hauptstadt. Der Volksmund in jenen Tagen war da ganz anderer Ansicht und bezeichnete Edinburgh wegen der winterlichen Smogs und des Geruchs der Kohlenfeuer in der überfüllten, aus allen Nähten platzenden Old Town wenig prosaisch als »The auld reekie«, »die alte Verräucherte«. Theodor Fontane, wie Scott ein Dichter, ließ sich natürlich nicht lumpen, ebenfalls einen wohlklingenden Namen zu finden, und sprach fortan nur noch von dem »Athen des Nordens«. Und Robert Louis Stevenson, der mit beiden Beinen fest im Leben stand und nichts von Schönrederei hielt, nannte seine quirlige Geburtsstadt eine überstürzte, hastige Metropole.

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Scott Monument: Die Figur des großen schottischen Romanciers sitzt am Fuß des Denkmals

Edinburgh ist zweigeteilt, in die Old und die New Town. Die Old Town erstreckt sich oben auf dem Burghügel zwischen Edinburgh Castle und Holyrood Palace. Die New Town liegt zu Füßen des Burghügels und ist auf den ersten Blick als eine am Reißbrett geplante Siedlung zu erkennen. Das Straßensystem zieht sich schachbrettartig und rechtwinklig von West nach Ost, und die Fassaden der Häuser zeigen einen einheitlichen georgianischen Stil.

Unser Spaziergang durch die schottische Metropole beginnt bei der Tourist Information am östlichen Ende der Princes Street, Edinburghs Einkaufsund Flaniermeile. Wenige Meter stadteinwärts ragt in einem kleinen Garten das 1844 fertiggestellte, neogotische Scott Monument 67 Meter hoch in den Himmel: Der Besucher kann hier richtig ermessen, welche Wertschätzung die Schotten ihrem Heimatdichter entgegenbringen. Der große schottische Romancier sitzt da unter einem riesigen Baldachin, neben ihm hat seine Lieblingshündin Maida brav Sitz gemacht. Über 60 Figuren aus dem umfangreichen Scottschen Werk verzieren das Denkmal. Eine steile Treppe führt im Innern auf die Spitze des Monumentes, und von dort oben genießt man einen weiten Blick auf die Stadt.

Wenige Schritte weiter entlang Princes Street, und der Platz The Mound ist erreicht. Die zwei wuchtigen, säulenge-schmückten, im griechischen Stil errichteten Gebäude beherbergen die Royal Scottish Academy und die National Gallery of Scotland. Die Academy ist das älteste Kunstmuseum Schottlands und wurde 1826 von dem Edinburgher Architekten William Playfair errichtet. Es zeigt zeitgenössische Kunst, während des Festivals kommen themenbezogene Ausstellungen hinzu. Die National Gallery, 1859 ebenfalls unter der Bauleitung von William Playfair errichtet, hat Gemälde von der Renaissance bis zu den Postimpressionisten in ihrem Bestand, darunter Werke von Velásquez, El Greco, Tizian, Vermeer, Constable, Monet und van Gogh. Besonders gewürdigt werden hier natürlich die schottischen Maler William MacTaggart, David Wilkie, Allan Ramsay und Henry Raeburn.

Während des Festivals übrigens tanzen Ballettgruppen auf dem Platz vor den beiden Museen, Akrobaten und Feuerschlucker lassen die Herzen der Kleinen höherschlagen, und Dudelsackspieler geben der Kulisse die rechte Musikbegleitung.

Am südlichen Ende von The Mound führen Stufen – die Playfair Steps – nach oben, wir überqueren Market Street, folgen der Straße halbrechts, biegen um eine Straßenecke und stoßen auf die querverlaufende Castlehill. Hier auf der Ecke erhebt sich der Outlook Tower mit Edinburghs ältester Touristenattraktion, der aus dem Jahr 1850 datierenden Camera obscura, mittels derer ein Teil der Skyline auf eine halbrunde Mattscheibe projiziert wird. Eine Ausstellung von Hologrammen und viele Fotos aus Edinburghs vergangenen Tagen runden den Besuch ab; von der Turmterrasse kann man zudem einen wunderbaren Blick auf die New Town genießen.

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Edinburgh: Royal Scottish Academy und National Gallery of Scotland

Gegenüber vom Outlook Tower befindet sich das Scotch Whisky Heritage Centre, in dem der Besucher in einer Art Zeitreise sämtliche Geheimnisse der Whisky-Herstellung erfährt. Wer allerdings vorhat, während seiner Schottlandreise eine produzierende Whisky-Destille zu besuchen (vgl. S. 92 ff.), kann sich den Eintritt eigentlich sparen, denn die Führung durch eine echte Brennerei ist allemal spannender und zudem umsonst.

Gladstone’s LandWriter’s Museum