Cover

c2

Die »Magischen Augenblicke« stellen als Tipps der Autoren besondere Orte und Erlebnisse vor. Sie führen hautnah an das Reiseziel heran, an seine Kultur und Natur, sie zeigen seine typischen und überraschenden Seiten und verführen dazu, diese Augenblicke gezielt zu genießen. Das kann der Schlemmerstopp an einer grandios gelegenen Hummerbude am Atlantik sein oder eine nächtliche Schluchtenwanderung, das Konzert vor spektakulärer Naturkulisse oder eine Austernsuche am Strand, die Segeltour zum Sonnenuntergang durch die Narragansett Bay oder ein Kurs im Fliegenfischen. Es sind MAGIC MOMENTS, die am Ende in Erinnerung bleiben und die Reise einzigartig machen.

c2

Neuenglands Magic Moments im Detail:

8 Bikes at Night – Fahrradtour auf dem neuen Harborwalk Boston, Massachusetts, S. 53.
8 Applaus für Lady Liu – Konzert im Shalin Liu Performance Center Rockport, Massachusetts, S. 73.
8 Bin kurz mal weg – nächtliche Wanderung durch die Schlucht des Lost River
North Woodstock, New Hampshire, S. 105.
8 Der Fisch und die Fliege – zwei Tage in der Fly Fishing School
Manchester, Vermont, S. 115.
8 Models erzählen – »Meet the Rockwell Models«
Norman Rockwell Museum
Stockbridge, Massachusetts, S. 135.
8 Perfektion in der Provinz – Goodspeed Opera House
East Haddam, Connecticut, S. 147.
8 Verwegene Fahrt – mit dem
America’s Cup-Segler »Heritage« Newport, Rhode Island, S. 159.
8 Der Sound des Sommers – Freitagskonzert im Kate Gold Park Chatham, Massachusetts, S. 181.
8 Ohne Eisbett und Tralala – Austern selber sammeln
Wellfleet, Massachusetts, S. 195.
8 Jam Session mal anders – Marmelade kochen beim Jam Kitchen Workshop
East Sandwich, Massachusetts, S. 205.
8 Lobster in the Rough – Hummeressen beim Five Islands Lobster
Südlich von Bath, Maine, S. 223.
8 Vorfahrt für Early Birds – Sonnenaufgang vom Cadillac Mountain
Acadia National Park, Maine, S. 233.
c2

Neuengland

1

1bEine Übersichtskarte mit den eingezeichneten
Routenvorschlägen finden Sie in der vorderen
Umschlagklappe.

3
toc_1 Inhalt
Neuengland ist anders
Details zur Route – und ein paar Tipps
Anreise von New York über Long Island
Neuengland erleben und genießen
  Übernachten: Willkommen im 19. Jahrhundert
toc_2   Essen und Trinken: Neuenglands Küche
  Mit Kindern: Region mit Familiensinn
  Outdoor: Vom Golfen und anderen Sportarten
Chronik
Abriss der Geschichte der Neuengland-Staaten
KERNROUTE NEUENGLAND
Am roten Faden durch das andere Amerika
toc_3 1_red Das Beste aus zwei Welten
Boston
e_yel Extratag:
Der erste Schuss und die Hütte am See
Auf historischen Spuren in Concord
2_red Wie von Edward Hopper gemalt
Marblehead, Salem und Rockport
toc_4 e_yel Extratage:
Verlängern auf Cape Ann
Spuckende Schnecken und ein Star-Designer
3_red Traumstrände und Shoppingträume im Hummerland
Von Cape Ann über Newburyport, Ogunquit und die Outlets von Kittery bis Portland
4_red Sommerfrische am See und ein Monsterberg
Von Portland über Naples, die Western Lakes und Mt. Washington nach North Conway
toc_5 5_red Naturparadiese und Rockefellers Jugendliebe
Kancamagus mit Lower Falls und über Quechee Gorge nach Woodstock
6_red Silent Cal, Grandma Moses und die Kunst des Fliegenfischens
Von Woodstock über Manchester und Mt. Equinox nach Bennington
toc_6 e_yel Extratag und Anreise von Montréal:
Lake Champlain: Ein Cottage am See und ein Bär mit Geburtsurkunde

Basin Harbor Club, Burlington und Shelburne
7_red Ein Vollbad für die Seele
The Berkshires
8_red Abseits der Rennstrecken durchs Connecticut River Valley
Von Mark Twains Villa in Hartford über East Haddam und Essex bis nach Mystic am Meer
toc_7 9_red Shantys in Mystic und das smarte Leben in Newport
Von Mystic Seaport nach Rhode Island
e_yel Extratage: Easy Going auf Block Island
Eine Ferieninsel mit Charakter
10_red Wal total und der Muskelarm im Atlantik
Von New Bedford zum Cape Cod
toc_8 11_red Beauty and the Beach
Ein Tag auf dem Outer Cape
12_red Der Königsweg und ein Dorf ohne Smartphone und Coca-Cola
Über Sandwich und Plimoth Plantation nach Plymouth
13_red Hemingway und Kennedy
Auf dem Weg zum Flughafen ein Stopp im JFK-Museum
toc_9 NORDROUTE NEUENGLAND
Durch das wilde Maine
1_toc_blue Shoppingträume und wilde Strände im Hummerland
Von Portland nach Bath
2_toc_blue Das Loch im Donut und die Magie von Down East Maine
Von Bath über Rockport bis zum Acadia National Park
toc_10 e_yel Extratag: Acadia National Park
Der Zauber von Down East Maine
3_toc_blue In die White Mountains
Von Bar Harbor nach North Conway
Service von A bis Z
Sprachführer
Orts- und Sachregister
Namenregister
Bildnachweis und Impressum
Zeichenerklärung .. hintere innere Umschlagklappe
6

Überdachte Brücke über den North River in den Berkshires

6

Hier geht’s lang zum Blätterschauen: Kürbisfamilie als Wegweiser zur Foliage, wie man in Neuengland den Indian Summer nennt

Neuengland ist anders

Es gibt Leute, die grundsätzlich nicht in die USA fliegen. Weil sie dafür ihren elektronischen Fingerabdruck abgeben müssen, weil es dort angeblich nur Fast Food gibt oder weil sie schon immer in die Provence fahren. Dann gibt es die Neugierigen, die sind hier richtig. Und es gibt die passionierten USA-Fans – die müssen wir warnen.

Neuengland ist anders als der große Rest der USA. Ein Blick auf Google Maps zeigt den ersten Unterschied: Kleinklein quetschen sich die Neuengland-Staaten Connecticut, Rhode Island, Massachusetts, New Hampshire, Vermont und Maine in den nordöstlichen Zipfel der USA Sechs amerikanische Bundesstaaten auf einem Raum, der gerade mal halb so groß ist wie Deutschland.

Kein Wunder, dass dort nichts von dem zu finden ist, was uns an den unermesslichen Weiten zwischen Miami und Los Angeles fasziniert. Der Big Sky, die magischen, schnurgeraden Highways, die sich endlos durch gewaltige, menschenleere Landschaften bis in den hitzeflimmernden Horizont dehnen – nichts davon findet sich in Neuengland. Hier schlängeln sich gewundene Sträßchen hügelauf, hügelab durch sattgrünen Pfälzer Wald, manchmal auch durch einen Chiemgau oder über eine mit tausend Seen gesprenkelte Schwäbische Alb.

In dieser pastoralen Landschaft warten auch keine kahlen Motels mit flackernder Nuancieret am Straßenrand, wie sie anderswo die Regel sind Motels sind generell selten im stilvollen Wald- und Seen-Idyll Und auch die kaugummikauende Lady an der Rezeption fehlt, ebenso wie die ewig fade Kaffeebrühe im Styroporbecher, die neben der Rezeption auf der heißen Platte kokelt.

6

Alles so schön bunt hier: Herbstmorgen nach einer frostigen Nacht in den White Mountains

In Neuengland übernachtet man in historischem Ambiente und oft sogar ohne TV. Klimaanlage ist auch nicht garantiert, dafür rotieren in den herrschaftlichen Herbergen hölzerne Ventilatoren an der Decke. In den privaten Bed & Breakfast-Villen gibt es auch keine standardisierten Zimmer mit Betten im Queensize- oder Kingsize-Format, sondern man lässt sich überraschen. Mit Glück landet man manchmal sogar in einem königlichen Himmelbett mit gedrechselten Pfosten und mit Blick in einen lauschigen Garten oder auf Felsklippen und Atlantikbrandung.

6

Cape Cod National Seashore: auf Sand gebaut und geologisch eine fragile Angelegenheit

Manche dieser Villen haben fünf Gästezimmer, andere 15, oft sind sie denkmalgeschützt und wurden von einem Kaufmann oder einem erfolgreichen Walfangkapitän erbaut. Die heutigen Besitzer sind engagierte Gastgeber, Aussteiger aus der Tretmühle eines hochdotierten Bürojobs, die es jetzt genießen, mit Gästen aus aller Welt zu plaudern und dafür zu sorgen, dass es an nichts fehlt. Das beginnt schon beim Frühstück mit Blaubeer-Pancakes, Lachs-Quiche oder pochierten Eiern mit Kräutern aus dem eigenen Garten. Der Kaffee dazu schmeckt fast so gut wie im Wiener »Demel«.

6

»Mayflower«-Nachbildung in Plymouth: ein Horrortrip über den Atlantik

Und Neuenglands Ortschaften? Sie strahlen eine ganz eigene Qualität aus, weil ihnen vieles Neuzeitliche fehlt, das als typisch amerikanisch gilt. Nirgendwo großflächige Werbetafeln, nirgendwo Fast-Food-Baracken und die musikdurchwehten Shoppingpaläste lassen sich an einer Hand abzählen. Städtchen wie Stockbridge oder Concord, Williamstown oder Litchfield hocken so geputzt und aufgeräumt im Grün, als wäre gerade das Stubenmädchen mit dem Feudel durchgegangen: weißblitzende Kirchen und manikürte Rasenflächen, an jeder Haustüre ein Ährenkranz, hinter jeder Ecke ein denkmalgeschütztes Museum, in jedem Städtchen ein Musik-, Theateroder Kunstfestival.

6

Ausgedient: Hummerbojen auf Cape Cod

Neuenglands Dichter und Denker schreiben Literaturgeschichte

Bleiben die Neuengländer selbst. Auch ihnen fehlen typisch amerikanische Wesenszüge: die joviale, schulterklopfende Kumpanei beispielsweise, und das Reden übers Geld. Beides wird man in Neuengland nicht erleben und das hat historische Gründe. Die ersten Siedler, die 1620 aus England flohen, um »Neu«-England zu gründen, waren gebildete Menschen, die aus Glaubensgründen in die gefährliche Fremde zogen. Heute wären sie religiöse Fundamentalisten, denn ihr Ziel war es, gottesfürchtig nach der Bibel zu leben. Weil ihr asketischer Puritanismus kein Vergnügen kannte und auch alle Statussymbole verbot, wurde das Bildungsniveau zur Klassenfrage. So gibt es bis heute kein hemdsärmeliges Protzen mit dem Reichtum, was viel eher zählt, sind die Biografie und die lebenslange Zugehörigkeit zu einem der Elite-Colleges und zu jenen Universitäten, die Führungskräfte von Wirtschaft und Politik stellen.

Die amerikanische Literaturgeschichte wäre ohne Neuenglands Dichter ein ziemlich leeres Blatt. Zwischen den wilden Stränden von Cape Cod und den milden Hügeln Vermonts lebten Poeten und Schriftsteller wie Robert Frost, Emily Dickinson, Eugene O’Neill und Herman Melville, und in den literarischen Clubs von Boston und dem nahen Concord schufen Literaten wie Ralph Waldo Emerson, Nathaniel Hawthorne, Louisa May Alcott und Henry David Thoreau mit dem Transzendentalismus die erste eigenständig amerikanische Weltsicht. Während Mark Twain in Hartford, Connecticut, die Abenteuer von Tom und Huck zu Papier brachte, schrieb seine Kollegin Harriet Beecher Stowe im Nachbarhaus mit »Onkel Toms Hütte« gegen die Sklaverei an. Neuenglands berühmtester Gegenwartsautor ist John Irving, der beispielsweise im »Hotel New Hampshire« der Region um Popham Beach in Maine ein Denkmal gesetzt hat.

Im Dunstkreis von Boston startete der Aufstand der Siedler gegen die englische Krone, hier fiel der erste Schuss im Kampf um die Unabhängigkeit und hier wurde längst vor dem Sezessionskrieg die Sklaverei per Gesetz verboten. Diese geistige und intellektuelle Vormachtstellung hat Neuengland bis in unsere Tage behalten. Das ländlich-beschauliche Vermont ist heute der ökologische Vorreiter der Nation und der Geburtsort des Computerzeitalters lag nicht im Silicon Valley, sondern in Boston.

Viele historische Stätten und Museen beschäftigen sich mit der Geschichte dieser einflussreichsten Region der USA. Das beginnt in Plymouth bei einem Felsbrocken, auf dem die »Mayflower«-Siedler die ersten Schritte auf dem neuen Kontinent taten, und endet im Kennedy-Museum an Bostons Dorchester Bay, wo Besucher auch heute noch angesichts der Todesschüsse von Dallas das Taschentuch zücken.

Literatur und Malerei haben manche Regionen Neuenglands zu Mythen verzaubert – Cape Cod beispielsweise, die zweite Heimat des Malers Edward Hopper, die mehr ist als nur eine Halbinsel mit wilden Stränden, Fischerdörfern und Künstlerkolonien.

Down East heißt hoch im Norden von Maine die andere magische Region, die mit gischtumkränzten Felsklippen, mit verwitterten Fischerkaten und tangbehängten Docks Maler wie Winslow Homer inspirierte. Dem großen Rest der USA dreht Neuengland nicht nur geographisch den Rücken zu. Seit die ersten Siedler an Land gingen, werden in den Gründungsstaaten der USA europäisches Lebensgefühl, europäische Küche und europäische Tradition mit viel Hingabe und Nostalgie gepflegt. Und weil weder Krieg noch Großindustrie die Idylle zerstörten, erscheint Neuengland heute immer wieder wie ein lebendiges Freilichtmuseum, das jene Werte hochhält, die in Europa längst verloren gegangen sind.

Hier ist »Yankee« kein Schimpfwort wie bei uns in Europa, sondern eine Auszeichnung, die fast mit einem Adelstitel zu vergleichen ist. Schmücken dürfen sich damit nur wenige: Die wahren Yankees sind jene Amerikaner, die ihre Vorfahren bis auf die legendäre »Mayflower« zurückführen können, die Nachkommen jener Pilgrim Fathers also, die einst mit dem Schiff aus der Alten in die Neue Welt aufbrachen.

6

Race Point Lighthouse bei Provincetown: Das Leuchtturmwärterhaus hoch im Norden der Halbinsel Cape Cod kann man als Ferienwohnung mieten

Details zur Route – und ein paar Tipps

Wer an die schnurgeraden Highways und die gewaltigen Entfernungen gewöhnt ist, wie sie in Arizona, Utah, New Mexico oder Texas üblich sind, dem erscheinen Tagesetappen von 60, 100 oder auch 250 Meilen als Kinkerlitzchen, die man zwischen dem ersten und dem zweiten Becher Morgenkaffee hinter sich bringt. Doch in Neuengland sind die Verhältnisse anders: Die Landschaft ist abwechslungsreicher und kennt – abgesehen von den Interstate-Rennstrecken – kaum schnurgerade Straßen. Vor allem aber gibt es ständig einen schönen Grund in die Bremse zu steigen, denn nirgendwo sonst in den USA kann man auf kleinstem Raum so viel Kultur sehen und erleben.

Dazu donnert überall die Brandung oder lockt ein See. Denn anders als in den gigantischen Binnenstaaten haben Connecticut, Rhode Island, Massachusetts, New Hampshire und Maine meilenlange, oft menschenleere Strände zu bieten, und auch wenn das Wasser oft zu kalt zum Schwimmen ist, geht einem allein beim Anblick der mächtig heranrollenden Brecher das Herz auf. Im Hinterland, speziell in New Hampshire, aber auch auf Cape Cod warten waldumstandene Bilderbuchseen mit schattigen Badebuchten. Der Squam Lake in New Hampshire, bei uns bekannt als Schauplatz des Films »Am Goldenen See« mit Henry Fonda und Katharine Hepburn, ist nur einer von Tausenden, die zu ungeplanten Extrastunden locken. Fazit: Wer nur zwei Wochen Zeit hat, ist mit der Kernroute bestens bedient, denn sie führt zu den landschaftlichen und kulturellen Highlights der sechs Staaten.

6

Neuenglands heimliche Hauptstadt: Blick auf Boston, Mystic River und die zwei Meilen lange Tobin Bridge, benannt nach dem Bürgermeister, der sie 1950 bauen ließ

6

Routenverlauf Kernroute: Boston – Rockport – Portland – North Conway – Woodstock – Bennington – Stockbridge – Mystic – Newport – Chatham/Cape Cod – Outer Cape – Plymouth – Boston
Gesamtstrecke: 1824 km/1140 mi
Mindestdauer: 14 Tage

Wer mehr Urlaubstage hat, kann die Nordroute, die ins Shoppingparadies Freeport und zu den wilden Stränden von Maine führt, mit ins Programm nehmen. Aber Achtung: Auch wenn er scheinbar abseits liegt ist der Acadia National Park im Norden von Maine im Hochsommer sehr gut besucht. Wer im Juli und August unterwegs ist, findet deshalb in der Region von Bath mehr Einsamkeit und wilde Natur als im Nationalpark.

Wer die lange Strecke in den oft überfüllten Acadia National Park scheut, fährt von Portland nach Bath, um dort die Wasser- und Inselwelt zu entdecken, und danach auf derselben Strecke zurück nach Portland.

6

Routenverlauf Kernroute + Nordroute: Boston – Rockport – Portland – Bath – Bar Harbor – North Conway – Woodstock – Bennington – Stockbridge – Mystic – Newport – Chatham/Cape Cod – Outer Cape – Plymouth – Boston
Gesamtstrecke: 2443 km/1528 mi
Mindestdauer: 17 Tage

Und wer noch mehr Zeit hat, baut auch die zusätzlichen Extratage mit ein: Nach dem 1. Tag von Boston nach Concord, am 6. Tag zum Lake Champlain in Vermont (mindestens zwei Tage dafür einplanen, gern auch mehr) und am 9. Tag könnte man schon wieder für ein paar entspannte Inseltage auf Block Island aus dem Programm aussteigen.

Routenverlauf Kernroute + Nordroute + drei Extratage: Boston – Concord – Boston – Rockport – Portland – Bath – Bar Harbor – North Conway – Woodstock – Rutland – Lake Champlain – Rutland – Bennington – Stockbridge – Mystic – Point Judith – Block Island – Point Judith – Newport – Chatham/Cape Cod – Outer Cape – Plymouth – Boston
Gesamtstrecke: 2745 km/1715 mi
Mindestdauer: 22 Tage

Im Übrigen ist keine Station unserer Reise mehr als drei bis vier Autostunden von Boston entfernt; zur Not kann man die Reise also an jedem beliebigen Punkt beenden und ist in einem halben Tag am Flughafen von Boston.

Wer die Neuengland-Reise in New York startet, ist per Bus oder Zug in gut vier Stunden in Boston, wer bereits in New York City einen Wagen mietet, klinkt sich auf dem schnellsten Weg über die Interstate 95 nach zweieinhalb Stunden Fahrzeit in New London in den 8. Tag unserer Route ein. Alternativ bietet sich ein gemächlicherer Umweg über Long Island an, in diesem Fall setzt man am Orient Point mit der Fähre nach New London über (vgl. »Anreise von New York über Long Island, S. 16 ff.).

6

Urlauber aus Montréal im kanadischen Québec fahren über die Interstate 89 und die Route 7 in dreieinhalb Stunden nach Rutland in Vermont und können sich dort problemlos in den 6. Tag der Kernroute durch Neuengland einfädeln.

Wer mehr Zeit hat, nutzt für die Anfahrt aus Montréal gleich die Infos unseres Extratags zum 6. Tag am Lake Champlain (vgl. S. 126 f.).

6

Einsamer Roadtrip durch das herbstliche Maine: großes Kino vor der Windschutzscheibe garantiert

Abenteuerlustige, die lieber wenig planen und viel dem Zufall überlassen, können in Neuengland Probleme bekommen, jedenfalls in der Hochsaison (die wegen der Laubfärbung bis in den Oktober reicht). Denn die typische Art der Unterbringung in kleinen, charmanten Gästehäusern hat den Nachteil, dass man ohne Reservierung oft den halben Tag mit der Suche nach einem freien Zimmer verliert. Deshalb gilt für die gesamte Reise: die Übernachtung möglichst immer ein bis zwei Tage vorab telefonisch reservieren. Für Boomzeiten wie die »Foliage« genannten Wochen der Laubfärbung im Herbst, aber auch sämtliche Sommerwochenenden auf Cape Cod ebenso wie die Konzertsaison in den Bergen der Berkshires ist auch das zu knapp.

Engpässe können aber auch ganz unerwartet auftreten: Geben beispielsweise die Boston Pops ein Konzert, sind sämtliche Betten im Umkreis von 100 Meilen ausgebucht, und wenn Gustavo Dudamel in den Berkshires dirigiert, muss man bis nach Albany im Bundesstaat New York fahren, um ein freies Zimmer zu finden.

Zumindest für die kritischen Termine empfiehlt sich deshalb eine frühere Reservierung (am besten übers Internet) von zu Hause: Das gilt für den Acadia-Nationalpark, für Stockbridge, Cape Cod und natürlich erst recht für die Inseln Nantucket oder Martha’s Vineyard, wo eine kurzfristige Zimmersuche im Sommer etwa so aussichtsreich ist wie in Frankfurt zur Buchmesse.

Die Straßen sind dichter befahren als sonst in den USA, Parkplätze sind in vielen Ortschaften teure Mangelware (sogar an den Stränden von Cape Cod wird kassiert) und selbst im niedlichsten Nest werden Falschparker abgeschleppt. Schließlich ist auch die Beschilderung abseits der Highways eher europäisch konfus als amerikanisch systematisiert. Speziell auf Cape Cod kommt es vor, dass Straßen, die eindeutig nach Süden führen, trotzdem den Anhang »North« haben. Achtung auch bei den »Rotaries« genannten, harmlosen Verkehrskreiseln, weil die out-of-towners, die Amis von auswärts, oft abrupt in die Bremse steigen und sich nur zögerlich in den Kreisverkehr einfädeln, der immer Vorrang hat.

6

Emerson Inn by the Sea in Rockport: das Zimmer möglichst vorab reservieren

Aber all das ist Gejammer auf hohem Niveau, denn es reist sich in Neuengland hinterm Steuer viel entspannter und stressfreier als in Europa; zähfließenden Verkehr gibt es höchstens freitags abends auf den Brücken nach Cape Cod. Und wenn im Autoradio vor heavy traffic gewarnt wird, bedeutet das für uns nichts weiter als die ganz normale Verkehrsdichte auf einer deutschen Landstraße.

Anreise von New York über Long Island

6

Wer die Neuengland-Reise in New York beginnen will, weil ein paar Tage Manhattan eingeplant sind, oder auch nur, weil die Flüge nach New York oft deutlich billiger sind als die nach Boston, der hat mehrere Möglichkeiten, in den Roadtrip Neuengland einzusteigen.

Es gibt viele gute Gründe, die Reise durch Neuengland in New York zu starten, und die Stadt selbst ist der allerbeste. In jedem Fall genügt ein halber Tag, um von New York aus Anschluss an die Neuengland-Rundreise zu finden.

Variante 1: Bus oder Zug. Fernbusse und Amtrak-Züge fahren stündlich von New York nach Boston. Die Fahrt mit dem Greyhound (www.Greyhound.com) oder dem Peter-Pan-Fernstreckenbus (www.peterpanbuslines.com) dauert viereinhalb Stunden und kostet je nachdem wie man bucht beispielsweise bei Greyhound 20 Dollar (im Voraus gebucht), 25 Dollar (im Internet gebucht) oder 39 Dollar (vor Ort bezahlt). Die Zugfahrt von New York nach Boston (www.amtrak.com) kostet 49 Dollar, beginnt in der Penn Station in Manhattan und endet je nach Streckenführung dreieinhalb bis viereinhalb Stunden später auf dem Bahnhof Boston South, sprich Downtown.

Variante 2: Mietwagen. Das geht noch schneller, weil man flexibel ist und gar nicht erst bis nach Boston fahren muss. Stattdessen kann man sich bereits in New London in Connecticut in unsere Route einfädeln. Wenn man den Wagen am JFK-Airport mietet, führt die 124 Meilen lange Strecke bis New London über die Interstate 95 immer an der Festlandsküste entlang in zwei Stunden ans Ziel.

Variante 3: Mietwagentour mit Stopp und/oder Übernachtung auf Long Island. Wer Zeit hat (und nicht am Wochenende fährt, wenn Stop and Go herrscht), verbindet das Angenehme mit dem Nützlichen und zaubert aus der Anreise einen kleinen Extraurlaub. Long Island ist die große Nachbarinsel von Manhattan, und der JFK-Flughafen liegt im Südosten von Queens und damit geografisch bereits auf Long Island. Wenn man Queens hinter sich gelassen hat, kommen noch einige Dutzend Meilen industrieller Wüste und dann wird Long Island plötzlich richtig schön, wie eine weltläufigere große Schwester unserer Nordseeinseln.

6

One World Trade Center an der Südspitze von Manhattan: Als Alternative zu Boston kann man auch problemlos von New York in die Neuengland-Rundreise einsteigen

Viele New Yorker flüchten im schwülen Hochsommer hierher, aber sie fahren in die Hamptons in Südosten von Long Island nach Bridgehampton, Southampton, East Hampton und Amagansett, Kleinstädte am Atlantik mit weißen viktorianischen Villen, die längst zu unbezahlbaren Promi-Adressen geworden sind wie Kampen und Keitum auf Sylt, nur noch viel teurer. Im Osten teilt sich Long Island wie eine Gabel, die nur zwei Zinken hat. Die Hamptons liegen am südlichen Zinken, den die Amerikaner South Fork nennen. Dazu gehören im weitesten Sinn auch noch Montauk und der elegante Yachthafen Sag Harbor.

Wir folgen dem nördlichen Zinken dorthin, wo Long Island noch bodenständig, ursprünglich und bezahlbar ist. Beim Exit 73 verlassen wir den Long Island Expressway und fahren auf der Route 25 direkt nach Greenport, einem der schönsten und typischen alten Long-Island-Städtchen, das längst nicht so aufgeputzt und geliftet ist wie die Ortschaften der Hamptons. Hier ist die Atmosphäre auf entspannte Weise bodenständig, eben down to earth. Und Greenport bietet alles, was man sich von einem Hafenstädtchen wünscht: eine Main Street zum Bummeln mit Kunstgalerien, kleinen Läden und Boutiquen, feine Restaurants und kernige Kneipen (fine-dining to paper-napkin crab shacks), kleine Museen und immer wieder den Blick aufs Wasser.

6

Montauk: Schon Max Frisch hat sich in diesen Flecken am Ende von Long Island verliebt

Nach dem Sunset-Dinner bei Claudio’s wartet ein Zimmer im Bed & Breakfast und am nächsten Morgen nur 15 Fahrminuten entfernt die Fähre, die uns vom Orient Point in 80 Minuten über den Long Island Sound hinüberbringt nach New London, wo wir in den 8. Tag des Roadtrips Neuengland einsteigen.

6

Greenport: Monumentalskulptur »Morning Call« von Roberto J. Bessin aus Trümmern des World Trade Centers

P.S.: Von Montauk (auf dem südlichen Zinken der Gabel) starten die Fähren der Viking Fleet (www.vikingfleet.com) zu unserem Geheimtipp Block Island (vgl. S. 166 ff.), einen Tagesausflug (ohne Pkw) könnte man also auch von hier aus einplanen.

Service & Tipps

Image Informationen im Internet
www.discoverlongisland.com
www.loving-long-island.com

Image Image Soundview Inn & Restaurant
Rt. 48, Greenport, NY 11944
Image (631) 477-1910
www.soundviewinn.com
Lang gezogener Motelkomplex auf Stelzen direkt am Strand, jedes Zimmer hat Meerblick und ein Beachside Deck. Der Strand ist sandig mit Kies durchsetzt. Alle Zimmer mit Kaffeemaschine und Kühlschrank. $$–$$$

Image Image The Bartlett House B&B
503 Front St., Greenport, NY 11944
Image (631) 477-0371
www.Bartletthouseinn.com
Zehn-Zimmer-B & B in einer restaurierten Villa von 1906, alle mit eigenem Bad. Im Zentrum von Greenport, fünf Fußminuten zur Main Street, 15 Fahrminuten zum Ferry-Anleger, das reichhaltige Frühstück ist inklusive. $–$$$

Image East End Seaport Museum
3rd St., im ehemaligen Bahnhof
Greenport, NY 11944
Image (631) 477-2100
www.eastendseaport.org
Juni–Sept. tägl. 13–17, sonst Sa/So 13–17 Uhr, Nov.–April nach Absprache, Eintritt $ 2
Maritimes auf zwei Stockwerken, von Schiffsmodellen und Leuchtturmlinsen bis zur Geschichte der regionalen Fischerei, origineller Souvenirladen.

Image Image Image Image Orient Beach State Park
Rt. 25, Orient, NY 11957
Image (631) 323-2440
www.nysparks.state.ny.us
Felsenküste zum Schwimmen, Radfahren und Wandern (an der Gardiners Bay entlang).

Image Image Greenport Carousel
Mitchell Park, Front St.
Greenport, NY 11944
Seit 1996 der Kinderhit, nostalgisches Karussell hinter Glas, wer den Messingring zu fassen bekommt, fährt eine Runde gratis.

Image Claudio’s Restaurant
111 Main St., Greenport, NY 11944
Image (631) 477-0627, www.claudios.com
Claudio’s ist ein Must in Greenport, seit 1870 kommt hier frisches Seafood auf den Tisch. Vor fünf Generationen hat der portugiesische Walfänger Manuel Claudio das Restaurant am Wasser gegründet, inzwischen sind drei daraus geworden: Außer dem eher noblen Claudio’s, das schon allein wegen der Mahagonitheke einen Besuch wert ist, hat man auf der Pier die Clam-Bar und Crabby Jerry’s zur Auswahl – überall mit bestem Seafood, vom Hummer bis zur Auster. $–$$

Image Frisky Oyster
27 Front St., Greenport, NY 11944
Image (631) 477-4265, www.thefriskyoyster.com
Fine Dining unter Küchenchef Robby Beaver, der das Restaurant vor zwei Jahren als Chefkoch und Eigentümer übernommen hat. $$–$$$

Image Village Cinema
211 Front St., Greenport, NY 11944
Image (631) 477-8600
Hier treffen sich die Einheimischen zum Blockbuster-Schauen.

Image Burton’s Book Store
43 Front St., Greenport, NY 11944
Image (631) 477-8536
Charmanter kleiner Buchladen mit einer guten Auswahl von Titeln über die Region.

Image Cross Sound Ferry
Rt. 25, Orient, NY 11957
Image (631) 323-2525
www.longislandferry.com
Die Autofähre verbindet rund ums Jahr Orient Point auf Long Island mit New London, Connecticut. Die einfache Überfahrt kostet ab $ 22.95 (Auto plus Fahrer) und dauert eine Stunde und 20 Minuten.

6

Delikat: Seafood bei Claudio’s

Neuengland erleben und genießen

Übernachten
Willkommen im 19. Jahrhundert

Schlafen in Neuengland verspricht jeden Abend eine neue Überraschung. Zumindest, wenn man in einer landestypischen Bleibe, im historischen Bed & Breakfast übernachtet. Denn dann können das Haus und die Gastgeber viel über die Geschichte der Region erzählen.

Überall in den USA säumen sie die Highways, die kahlen Motels mit schriller »Vacancy«-Neonschrift, schnelle, unpersönliche Nachtlager mit röhrender Klimaanlage und ewig laufendem TV. Und oft mit einer kaugummikauenden Lady hinter der Reception, die – »Goodnight Honey« – gelangweilt den Zimmerschlüssel rüberschiebt. Überall in den USA sind solche Herbergen der Standard – nur nicht in Neuengland.

Hier bettet man sein Haupt in herrschaftliche Betten, die so majestätisch hoch sind, dass man nicht selten eine kleine Treppe braucht, um hineinzukommen. Und bereits zum Frühstück wird geschlemmt – immer vorausgesetzt, man nächtigt in einem der historischen B & Bs. Denn etliche der schönsten Villen Neuenglands wurden zu dekorverliebten Privatpensionen umgebaut und bieten romantische Zimmer mit Baldachin und Blumentapeten.

6

Teuer und heiß begehrt: Cottages auf Martha’s Vineyard

Während B & B in Großbritannien als Synonym gilt für ein preiswertes Bett mit Familienanschluss, garantiert Bed & Breakfast in Neuengland die beste Variante der Übernachtungskultur. Die heutigen Besitzer der historischen Preziosen sind nicht selten Aussteiger aus der Karrierehatz, die es sich leisten können, Geld und Begeisterung in ihr zweites Leben als Gastgeber zu investieren, und gerne mit Tipps für Konzerte, Museen, Strände und Restaurants bei der Hand sind.

Wer in solch einer noblen Bleibe das gebuchte Zimmer betritt, muß erst mal tief durchatmen, weil der neuenglische Flower-Power-Stil mit seiner überbordenden Fülle aus Spitzen und geblümten Stofftapeten, aus Decken, Kissen, Bettüberwürfen, Troddeln, Vorhängen und Lampenschirmen für leichten Schwindel sorgt – doch an das feine Leben als Weichei kann man sich schnell gewöhnen. So zelebrieren etliche B & Bs am späten Nachmittag in britischer Tradition einen High Tea für die Gäste, der mit einer sündhaft köstlichen Kuchenauswahl daherkommt. Dieser Exzess ist genauso im Übernachtungspreis eingeschlossen wie das Frühstück am nächsten Morgen, das oft als dreigängiges Menü serviert wird – vom Blaubeerpfannkuchen mit Ahornsirup bis zu pochierten Eiern mit Kräutern aus dem eigenen Garten.

Der Adele Turner Inn in Newport ist so ein Fall, mit Rooftop-Hot-Tub in der Dachgarten-Suite und mit täglicher Teatime samt Scones und Schokotörtchen (www.adeleturner.com). Auch der Stonecroft Country Inn aus dem Jahr 1807 gehört dazu, in Ledyard bei Mystic, Connecticut, das komplett unter Denkmalschutz steht und in der ehemaligen Scheune Sterneküche serviert (www.stonecroft.com). Und natürlich Captain Lord Mansion in Kennebunkport, Maine, die klassische Kapitänsvilla von 1812 mit Ausguck auf dem Dach (www.captainlord.com), deren überbordend ausstaffierte Zimmer bereits in ziemlich allen amerikanischen Freizeitmagazinen abgebildet waren.

Wenn das ausgewählte B & B nur eine Handvoll Zimmer hat, sorgen sich die Gastgeber nicht selten um jeden Besucher ganz persönlich. So wie Eva Amuso im Harbour House Inn in Cheshire, Massachusetts, die für ihre Gäste, die zum Freiluftkonzert ins nahe Tanglewood fahren, einen kompletten Picknickkorb packt mit allem, was das Herz begehrt, einschließlich der Kerzen für den stimmungsvollen Ausklang auf der Konzertwiese (www.harbourhouseinn.com).

Wer dabei irgendwann an seine Grenzen stößt und eine Auszeit braucht von so viel Hätschelei und Völlerei, findet natürlich immer auch ein ganz normales Motel am Straßenrand. Dort gibt es garantiert keinen geklöppelten Spitzenbaldachin überm Bett und als Frühstück im besten Fall einen Kaffee im Styroporbecher. Neben den üblichen Motels sind auch empfehlenswerte Ketten wie Marriott, Hilton, Holiday Express oder Hampton Inn überall in Neuengland vertreten, die jeweils mit identischer Ausstattung und Leistung aufwarten, was ab und an auch ein Vorteil ist: Man kennt sich bereits aus, freut sich nach all dem Dekorations-Overkill auf schlichte weiße Wände und auf ein Bett, in das man sich fallen lassen kann, ohne vorher gefühlte drei Millionen Kuschelkissen zu entfernen.

6

Harbour House Inn in Cheshire: mit feinem Picknickkorb zum Konzert

Und man bekommt einen kostenlosen Parkplatz zum Zimmer, was gerade in den Städten eine Menge Geld spart, denn das übliche Valet-Parking, bei dem man dem Doorman den Autoschlüssel überlässt, der das Gefährt an einem unbekannten Ort parkt, ist manchmal pro Nacht so teuer ist wie ein Motelzimmer. Deshalb der dringende Rat: Wer irgend kann, bucht den Mietwagen erst am Ende des Aufenthalts in Boston und spart sich so Parkärger und Valet-Gebühren.

Freies Parken ist auch bei den Resorts und Inns die Regel, die neben den B & Bs die zweite große Gruppe der traditionellen Urlaubsquartiere in Neuengland ausmachen und sich mit eigenen Freizeiteinrichtungen, mit Pools und Restaurants für einen längeren Aufenthalt anbieten. Natürlich kann man im Emerson Inn by the Sea in Rockport auf Cape Ann auch nur eine Nacht bleiben, aber allein um alle kleinen Köstlichkeiten des Frühstücksbuffets auszuprobieren, bucht man besser gleich eine Woche (www.EmersonlnnByTheSea.com).

Auch im Basin Harbor Club in Vermont am weiten, einsamen Lake Champlain beneidet man die amerikanischen Familien, die ihre kompletten Sommerferien hier verbringen, während man selbst schon am nächsten Tag dieses klassische Resort verlassen muss, in dem die Zeit seit den 1950er Jahren stehengeblieben zu sein scheint.

Essen und Trinken
Neuenglands Küche

Gibt es lukullische Spezialitäten, die typisch sind für Neuengland? Hummer natürlich, der berühmte Lobster aus dem kalten Atlantik vor der Küste von Maine. Ahornsirup aus Vermont, der auf keinem Pancake fehlen darf, genauso wenig wie die köstlichen Blaubeer-Muffins auf dem Frühstücksbuffet. Und schließlich die clam chowder, die so typisch ist für Neuengland wie das Baguette für Frankreich. Die sämige Suppe mit Kartoffeln, Zwiebeln, Muscheln und Kabeljau steht auf jeder Menükarte und ist überall ein beliebter Snack – aus dem Plastikschälchen oder dem Styroporbecher gelöffelt, mit ein paar Crackern dazu.

Aber das war’s auch schon an Geschmackssensationen, die über Neuenglands Grenzen hinaus bekannt geworden sind. Generell darf man nicht vergessen, dass die Puritaner einst nicht nur die Namen ihrer heimatlichen Städte und Dörfer mit in die Neue Welt brachten, sondern eben auch die englische Küche. Und gemäß der asketischen Denkungsart der Puritaner war das Essen nicht zum Vergnügen da, sondern sollte sättigen und die Energie für das Tagwerk liefern – kein idealer Nährboden für eine verfeinerte oder gar opulente Esskultur.

Die haben denn auch die Einwanderer mitgebracht, vorneweg die Italiener, die das North End in Boston zu jenem lukullischen Dorado machten, das es heute ist. Ohnehin bietet Boston mit Chinatown, mit den Feinkostständen im Quincy Market, den Italienern im Nordend und dem Kneipenmix rund um Harvard eine multikulturelle Auswahl an Restaurants, allen voran das historische Schwergewicht Union Oyster House, »Amerika’s Oldest Restaurant«, wie auf der Speisekarte zu lesen ist. Mit diesem Titel hat man auch ganz selbstbewusst ein eigenes Kochbuch verlegt mit Klassikern der amerikanischen Küche, von Crab Cakes bis zur Apple Pie.

Aber auch unterwegs trifft man immer wieder auf Restaurants, in denen man einen unvergesslichen Abend verbringt und die man beschwingt und bestens gelaunt verlässt. Local 121 in Providence ist so ein Fall (www.Local121.com), wo man mit Biozutaten aus der Umgebung erstklassige Gerichte zaubert. Generell sollte man in allen guten Restaurants (das sind jene mit Tischdecke, in denen auf Porzellan serviert wird und nicht wie sonst üblich auf Plastikgeschirr) einen Tisch reservieren. Meist gilt dort auch eine in unseren Augen eher antiquiert wirkende Kleiderordnung: Krawatte und Jackett sind für Männer obligatorisch, Frauen haben da mehr Spielraum, aber Jeans und Turnschuhe sind nicht gerne gesehen. Wer unsicher ist, fragt bei der Reservierung nach dem dress code.

Beim Betreten des Restaurants wartet man darauf, dass man einen Tisch zugewiesen bekommt, dadurch wird die Zahl der Gäste möglichst gleich unter den Kellnern aufgeteilt, die von diesen Jobs leben. Deshalb ist das Trinkgeld hier keine nette Geste, die man auch mal ausfallen lassen kann, sondern ein Muss. Also bitte nicht knausrig sein, nur bei wirklich schlechtem Service lässt man weniger als 15 Prozent vom Endpreis als tip auf dem Tisch liegen, im Normalfall verdoppelt man den Betrag, der auf der Rechnung als Steuer ausgewiesen ist.

All diese Regeln kann man getrost vergessen wenn man sich ein lukullisches Vergnügen ganz anderer Art gönnt, wie es nur an Neuenglands Küste möglich ist. Kleine Fischerboote am Holzpier und dampfende Kessel vor windschiefen Imbissbuden zeigen schon von Weitem, was hier auf den Teller kommt: Hummer und sonst nichts. Lobster in the rough heißt der Spaß, dem wir uns am 8. und 12. Tag der Kern- und am 1. Tag der Nordroute ausführlich widmen und den man zumindest einmal auf dieser Reise ausprobieren sollte.

Auch hinsichtlich der Getränke gibt es ein paar Extras zu beachten. Der Alkoholkonsum ist in Neuengland wie fast überall in den USA streng reglementiert und wird kontrolliert. Der Genuss von Alkohol im Freien ist in ganz Neuengland verboten. Das gilt für das Picknick im Grünen genauso wie für die Beach Party am Strand; selbst das Herumtragen geöffneter Bier- oder Weinflaschen in der Öffentlichkeit ist strafbar. Wer in Supermärkten, an Tankstellen und in den staatlichen Liquor Stores Alkoholisches kauft, muss damit rechnen, an der Kasse nach dem Ausweis gefragt zu werden, selbst wenn man deutlich über 21 Jahre alt ist.

Viele Restaurants haben keine Alkohollizenz, dort gilt die BYOB-Regel, Bring Your Own Bottle. Man bringt das Getränk der Wahl mit ins Restaurant, der Wirt holt die Gläser dazu, öffnet die Flasche und setzt ein kleines »Korkgeld« auf die Rechnung. Biertrinker sollten die dünnen Produkte der großen Marken meiden und lieber auf die Biere lokaler Brauereien ausweichen (local brew), die meist erfreulicher schmecken.

6

Abbott’s Lobster in the Rough im Dörfchen Noank bei Mystic in Connecticut, direkt am Meer: Hier wird der Hummer gedünstet statt gekocht, ein Traum für Geschmackspuristen

Bleibt noch die Geschichte von Rockport, jenem kleinen charmanten Städtchen auf Cape Ann, um das alle, die gerne einen Wein zum Dinner trinken, bis 2005 einen großen Bogen machten, denn Rockport war eine dry town, eine trockene Stadt, in der es keinen Tropfen Alkohol gab. Diesen Sonderstatus hielt Rockport immerhin von 1856 bis 2005 durch.

Verursacht hat die Trockenlegung eine gewisse Hannah Jumper mit ihren Mitstreiterinnen im Jahr 1856. Viele Familien hungerten damals, weil die Männer – allesamt Fischer – den Großteil des Erlöses ihres Fangs in Rum umsetzten und Frau und Kinder darüber vergaßen. Hannah Jumper versuchte es erst mit demokratischen Mitteln, aber binnen vier Jahren stieg der Alkoholkonsum um weitere 250 Prozent und politisch geschah trotz aller Initiativen gar nichts.

6

Children’s Museum in Boston: Die Kinderfreundlichkeit in Neuengland ist sensationell, und längst nicht auf die gelungenen Kindermuseen beschränkt

Also tat sich Hannah Jumper mit ihren Leidensgenossinnen zusammen und gemeinsam zogen sie mit Äxten und Beilen die Main Street entlang und schlugen in fünf Stunden alles kurz und klein, worin Alkohol gelagert wurde: Fässer, Krüge und Flaschen, und der hochprozentige Stoff floss angeblich durch Rockport wie ein reißender Bach. Der Ladenbesitzer Jim Brown ging wegen seiner demolierten Einrichtung vor Gericht, aber die Kämpferinnen für ein alkoholfreies Rockport gewannen den Prozess. Ein Sieg mit Langzeitwirkung, noch 1966, 1968 und 1970 sprachen sich die Bürger von Rockport für ein weiterhin gültiges Alkoholverbot aus, das erst bei der Abstimmung im Jahr 2005 fiel.

Mit Kindern
Region mit Familiensinn

Vieles macht in Neuengland mit Kindern gleich doppelt so viel Spaß, denn jeden Tag gilt es neue Abenteuer zu bestehen. Klar muss man den Zeitplan entzerren, doch der nächste Strand oder der nächste See zum Spielen sind nie mehr als 30 Autominuten entfernt. Museen, Hotels und Restaurants sind ohnehin kinderfreundlich und wenn die Jüngsten mal nicht erwünscht sind, steht das ausdrücklich dabei.

Während die Eltern im Resorthotel am Seeufer die Koffer auspacken, hat der Junior bereits den ersten Fisch seines Lebens an der Angel – ein Betreuer hat den kleinen Neuling direkt beim Check-in angesprochen und mitgenommen auf die hölzerne Pier. Jetzt zeigt er ihm wie Schwimmer und Senkblei funktionieren. Für die kleinen Fische hat der Kinder-Coach schon einen Eimer mit Wasser gefüllt, denn natürlich darf der Junior den ganzen Fang am Ende wieder in den See entlassen.

Kinder haben Glück in Neuengland, denn sie werden fast immer mit besonderer Aufmerksamkeit behandelt. Museen halten für alle Kinder im Grundschulalter eigene Suchspiele parat, die auf lockere Weise das Thema des Hauses vermitteln.

Traumstrände für Familien – eine Hitliste von Süd nach Nord

Misquamicut Beach, Rhode Island

Bei Westerly, Anfahrt über I-95

Sieben Meilen langer Sandstrand mit Wasserrutschen, Karussells, Minigolf und Fast-Food-Buden. Im nahen Watch Hill dreht sich das Flying Horse Carousel von 1867.

Übernachtungstipp: Shelter Harbor Inn (www.shelterharborinn.com) im Grünen, mit Hot Tub, Restaurant und Shuttle zum Strand.

Second Beach, Newport, Rhode Island

In Middletown, RI, Anfahrt über Memorial Boulevard (Route 138A) und Purgatory Road

Auf drei Meilen Länge rollen flaschengrüne Atlantikbrecher in die Bucht, der Sand hat Karibikqualität, Verpflegung muss man mitbringen.

Übernachtungstipp: Hyatt Regency Newport (www.Hyatt.com) mit Healthclub, Pool und tollem Blick, Kinder unter 18 Jahren schlafen kostenlos.

Cape Cod National Seashore, Massachusetts

11 000 Hektar Wildnis mit Dünen, endlosen Stränden und rollender Brandung. Alle Strände wie Nauset Light Beach, Marconi Beach oder Highland Light bei Truro haben Restrooms, Umkleiden und Duschen.

Übernachtungstipp: Entlang der zentralen Verkehrsachse 6A finden sich etliche Hotels. Wer ein Familienhotel sucht, ist im Cape Codder Resort & Spa an der richtigen Adresse (Route 132, Hyannis, www.capecodderresort.com) mit Erlebnis-Wellenbad, Spielplatz und Family Vacation Package.

Good Harbor Beach, Cape Ann, Massachusetts

Anfahrt: 50 Meilen nördlich von Boston über Route 1A, 128 und 127A

Eine feinsandige Bucht, flankiert von markanten Granitfelsen. In der nahen Künstlerkolonie Rocky Neck Art Colony warten urige Lunch- und Dinner-Adressen.

Plum Island, Newburyport, Massachusetts

Anfahrt über Water Street

Der neun Meilen lange, bernsteingelbe Sandstrand gilt als einer der zehn schönsten der USA, Übernachten im nahen Newburyport, Verpflegung muss man an den Strand mitbringen.

Ogunquit Beach, Maine

Zwischen York und Wells, Anfahrt über I-95, Exit 4, Route 1 North

Drei Meilen langer, weißer Sandstrand, parallel dazu der Süßwasserzufluss des Ogunquit (ideal für Kleinkinder).

Übernachtungstipp: Meadowmere Resort (www.Meadowmere.com) mit Familienzimmern, drei Pools, Fußweg zum Strand und Stopp der Town Trolley Line.

Reid State Park, Maine

14 Meilen südlich von Bath an der Route 127

Einsame, wildromantische Badebucht mit belebten Gezeitentümpeln an der Felsküste und kreischenden Möwen. Nicht weit davon ist der einsame Endlosstrand von Popham Beach.

Übernachtungstipp: The Inn at Bath (www.innatbath.com), eine historische Kapitänsvilla mit neun Zimmern, einer Familiensuite und köstlichem Frühstück.

6

Bei Kanutouren durch die Wildnis setzt der Ranger dem Kind eine Libellenlarve auf die Hand und erklärt, wieso dieses Insekt sogar rückwärts fliegen kann. Und der Fahrer des Amphibienfahrzeugs von Boston Duck Tours bittet das jüngste Mädchen an Bord ans Steuer, die Siebenjährige darf das Gefährt durch den Hafen von Boston lenken. Kein Tag vergeht ohne ein Erlebnis dieser Art und manchmal hat man als Eltern den Eindruck, dass in diesem Land jeder den Ehrgeiz hat, dem kleinen Gast den Urlaubstag unvergesslich werden zu lassen.

Tatsächlich gibt es auch Orte, an denen Kinder im Krabbel- und Grundschulalter unerwünscht sind. Meist sind es private Sammlungen und Museen, die nicht riskieren wollen, dass ein Kind, das durch die Räume flitzt, die chinesischen Vasen vom Sockel räumt. Auch manche sündhaft teuer ausgestattete Bed&Breakfast-Villa bangt um ihre Antiquitäten. In diesen Fällen ist das schon deutlich auf der Webseite vermerkt: »No children under ten welcome«. Aber das sind seltene Ausnahmen, und vermutlich wird man während der ganzen Neuenglandreise kein einziges Mal damit konfrontiert. Eher im Gegenteil. Da kann es passieren, dass im gebuchten B&B-Familienzimmer bei der Ankunft bereits ein Kuscheltier auf dem Bett sitzt, das den Aufenthalt versüßt – und das man natürlich beim Auschecken gerne bezahlt, weil es mittlerweile zur Familie gehört und mitkommen muss.

Manche Unterkünfte haben sich komplett auf Familien spezialisiert. Bestes Beispiel dafür ist das Smugglers’ Notch Family Resort in den Bergen von Vermont, ein ganzes Dorf in der Wildnis, das seit mehr als 20 Jahren sämtliche Preise kassiert, die Amerikas Freizeitmedien für den idealen Familienurlaub zu vergeben haben (www.smuggs.com), denn hier haben tatsächlich alle Familienmitglieder – maßgeschneidert nach Alter und Interessen – jede Menge Spaß.

Im Unterschied zu den klassischen Familienhotels in Deutschland und Österreich ist das betreute Freizeitprogramm in Neuengland sportlicher und spielt sich in der Wildnis ab. Selbst wenn es Bindfäden regnet, hocken die Kleinen nicht mit Bastelzeug am Kamin, sondern die Betreuer toben mit ihren Schützlingen durch gewaltige Hallen mit Bergen von Weichmatten, mit abgezirkelten Spielfeldern und Trampolinen, so groß wie der ganze Kindergarten daheim.

Und für jede Altersgruppe gibt es ein passendes Programm, sieben verschiedene Gruppen ziehen im Smugglers’ Notch täglich los – von den Discovery Dynamos (drei bis fünf Jahre, ein Betreuer für fünf Kinder), die im Streichelzoo, bei der Schatzsuche, im Wald und am Bach erste Naturerfahrungen machen, bis zu den Mountain Explorers (15–17 Jahre), deren Teamgeist bei Klettertouren, Nachtfahrten in Kanu, Sagway-Jagden und Baumwipfel-Rallyes trainiert wird. Für die Eltern gibt es ein Dutzend Sportkurse, vom Kajaktraining bis zum Mountain Boarding oder Flyfishing, außerdem werden tägliche Naturexkursionen für alle auf den Seen der Umgebung angeboten, bei denen Ranger auf spannende Weise Tiere und Pflanzen erläutern.