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Der ehemalige Mathematik- und Physiklehrer Mark Cheverton begann mit dem Schreiben, um seinem Sohn die Gefahren von Cyberbullying anhand seines Lieblingsthemas zu erklären: Minecraft. Mittlerweile umfasst die Gameknight999-Serie 18 Titel und ein Ende ist noch nicht in Sicht.

DANKSAGUNG

Zuallererst möchte ich meiner Familie danken, die meine stundenlangen Schreibphasen erträgt, dass ich sie manchmal um vier Uhr morgens wecke und auch an den Wochenenden und in so gut wie jeder freien Minute schreibe. Ohne sie wären all diese Bücher nicht möglich gewesen.

Außerdem bedanke ich mich bei meinen Lesern: Ohne eure freundlichen Worte, die mich über meine Webseite www.markcheverton.com erreicht haben, hätte ich vermutlich nicht die Kraft gefunden, trotz meiner Erschöpfung weiterzumachen. Aber eure Unterstützung und Ermutigung haben mich motiviert, weiterzuschreiben … Dafür gebührt euch mein aufrichtiger Dank!

INHALT

Cover

Der ehemalige Mathematik

Titelblatt

Impressum

Danksagung

Inhalt

Zitat

Kapitel 1: Crafter

Kapitel 2: Gameknight999

Kapitel 3: Das Dorf

Kapitel 4: Crafters Schicksal

Kapitel 5: Die Entscheidung

Kapitel 6: Xa-Tul

Kapitel 7: Wieder in Minecraft

Kapitel 8: Begrüssung

Kapitel 9: Zombies!

Kapitel 10: Des Königs Enttäuschung

Kapitel 11: Flucht vor Xa-Tul

Kapitel 12: Endermen!

Kapitel 13: Zwei Könige

Kapitel 14: Das Land der Träume

Kapitel 15: Alte Freunde

Kapitel 16: Der Südliche Sumpf

Kapitel 17: Die Hexe

Kapitel 18: Morgana

Kapitel 19: Spione

Kapitel 20: Das Küstendorf

Kapitel 21: Herobrines Gefängnis

Kapitel 22: Gefunden

Kapitel 23: Die Festung

Kapitel 24: Gefangen!

Kapitel 25: Zum Greifen Nah

Kapitel 26: Immer dem Anführer Nach

Kapitel 27: Der Brunnenraum

Kapitel 28: Der Portalraum

Kapitel 29: Das Ende

Kapitel 30: Der Erste Enderkristall

Kapitel 31: Der Letzte Enderkristall

Kapitel 32: Sprung ins Ungewisse

Kapitel 33: Der Ritt Seines Lebens

Kapitel 34: Die Beute Entkommt

Kapitel 35: Die Leere

Kapitel 36: Flucht aus dem ende

Kapitel 37: Die Bezahlung

Epilog

Minecraft-Seeds

Anmerkung des Autors

Vorschau auf „Die Zerstörung der Oberwelt“

Band 1-3 Gameknight999-Reihe

Band 1-3 Das-Geheimnis-um-Herobrine-Reihe

„Als Kinder wollen wir wie große Jungen oder Mädchen behandelt werden, als Jugendliche dann wie Erwachsene. Aber um das zu erreichen, müssen wir Verantwortung übernehmen und bereit sein, über uns hinauszuwachsen.“ – Monkeypants271

KAPITEL 1

CRAFTER

Crafter blickte auf das Schlachtfeld hinunter und beobachtete, wie der letzte Rest der Zombiehorde in den Wäldern verschwand, während ihre gefallenen Kameraden leuchtende Erfahrungskugeln, ein paar Schwerter und Zombiefleischfetzen auf der grasbewachsenen Ebene zurückließen.

„Diesmal hätten sie es beinahe zum Dorftor geschafft“, sagte Stitcher besorgt.

Sie lief nervös auf der Befestigungsmauer hin und her und suchte den Wald nach weiteren Monstern ab.

Crafter brummte zustimmend.

„Hätten sie nicht diese Lederkappen, könnten sie wenigstens nur nachts angreifen“, meinte Digger. „Dann wüssten wir zumindest, wann wir mit ihnen rechnen müssen.“

„Der Zombiekönig scheint sie immer mehr anzutreiben“, fügte Hunter hinzu, während sie ihren Bogen wegsteckte und sich mit einem grünen Ärmel die quadratische Stirn abwischte. „Habt ihr die Zombies während der Schlacht gehört? Sie geben uns die Schuld dafür, dass ihr Meister Herobrine besiegt wurde.“

„Ja, ich habe sie gehört“, sagte Crafter finster. „Sie waren ja nicht zu überhören. Der Zombiekommandant hat so laut geschrien, dass man ihn in ganz Minecraft hören konnte.“

„Wir müssen etwas unternehmen … Wir brauchen … du weißt schon … ihn“, sagte Hunter.

„Nein, er hat schon genug für uns getan“, widersprach Crafter ihr und ging die Stufen hinunter. „Wir müssen lernen, allein mit den Monstern zurechtzukommen.“

Am Fuß der Treppe hielt er inne und sah zu Hunter hinauf. Die Mittagssonne schien auf ihr lockiges rotes Haar, das wie ein blutroter Heiligenschein leuchtete.

„Außerdem gilt der Beschluss des Rats der Crafter noch immer – wir dürfen nicht mit Benutzern interagieren … was auch geschieht“, erklärte Crafter. „Willst du ihn ein weiteres Mal bitten, nach Minecraft zu kommen und sein Leben zu riskieren? Sind wir schon so verzweifelt?“

„Na ja … Ich meine ja nicht …“, stammelte sie.

„Gameknight999 soll sein Leben in der physischen Welt fortsetzen, während wir unseres in der digitalen Welt leben“, fuhr Crafter fort. „Verstanden?“

Hunter nickte und kam die Treppe herunter, wobei ihre roten Locken munter auf und ab wippten.

Crafter schenkte ihr ein Lächeln und trat dann durch das Eisentor, um sich das Schlachtfeld aus der Nähe anzusehen. Der schlaksige Herder folgte ihm dicht auf den Fersen.

„Sammle die Erfahrungskugeln ein, Baker“, wies Crafter einen der NPCs an. „Bring sie zu Smithy; wir brauchen noch mehr verzauberte Rüstungen. Mach schnell, bevor sie verschwinden. Digger, wir benötigen einige Bogenschützentürme auf beiden Seiten der Brücke, die über den Graben führt. Wenn Xa-Tul mit einer noch größeren Zombiearmee zurückkehrt, wird er es früher oder später über die Brücke schaffen und das Eisentor erreichen. Mit seinem riesigen goldenen Schwert hätte er innerhalb von Sekunden kurzen Prozess mit ihr gemacht und seiner Horde den Weg freigeräumt … Wir müssen das Dorf schützen.“

Digger nickte.

„Herder“, fuhr Crafter fort, „wir brauchen deine Wölfe, um …“

Der junge NPC hielt mitten im Satz inne und starrte auf die Grasebene vor sich, wobei er die hellblauen Augen vor Überraschung weit aufriss. Über die grasbewachsene Ebene raste etwas, das wie ein dunkler, schattenhafter Blitz aussah. Nein, kein Blitz, der Schatten eines Blitzes, denn er war pechschwarz und glich einem krankhaften Makel auf der Oberwelt. Er bewegte sich im Zickzack, mal in die eine, dann abrupt in eine andere Richtung – einem Bluthund auf der Suche nach einem Hasen gleich schoss der zackige Schatten über den Boden und schien etwas zu suchen. Schon kam er auf Baker zu und berührte seinen Fuß. Sofort schrie der NPC vor Schmerz auf. Schwarze Stacheln aus … irgendetwas … stachen auf seinen Fuß ein.

„Ist alles in Ordnung, Baker?“, fragte Crafter.

Der dunkle Fleck schien Crafters Stimme zu hören. Er entfernte sich von Baker und bewegte sich nun auf den jungen NPC zu. Herder stellte sich vor seinen Freund und blickte auf die schattenhafte Präsenz hinunter. Als der Fleck seine Fußspitze berührte, sprang der schlaksige Junge hoch, als wäre er auf glühende Kohlen getreten. Der dunkle Fleck ließ den Jungen links liegen und hielt nun geradewegs auf Crafter zu. Crafter trat einen Schritt zurück. Er spürte eine boshafte Präsenz in dem Schatten, hasserfüllte Niederträchtigkeit, die wie Dampf aus einem kochenden Kessel aufstieg. Crafter wollte fortlaufen, doch die Schattenform hatte ihr Ziel gefunden. Blitzartig schoss sie vor und erschien unter den Füßen des jungen NPCs.

Crafter schrie vor Schmerz auf, als der Schatten des Bösen ihn attackierte. Dunkle Stacheln schossen wie scharfe Klingen aus dem Schattenfleck nach oben. Wieder und wieder stachen sie auf Crafter ein, sodass sein Körper rot blinkte und er an Gesundheit verlor. Hunter rannte zu ihm und schoss einen Pfeil auf den Schattenfleck ab, doch das spitze Geschoss drang lediglich in den sandigen Boden ein und bewirkte rein gar nichts.

Stöhnend sackte Crafter in sich zusammen. Hunter ließ den Bogen fallen, um den Jungen aufzufangen, und hielt ihn vom Boden und der Dunkelheit fern. Das Böse versuchte, nach ihm zu greifen, und reckte die dunklen Stacheln in die Luft, konnte ihn aber nicht mehr erreichen, da Hunter in Bewegung blieb. Während sie ihren Freund hoch über dem Kopf hielt, schien der finstere Schatten zu spüren, dass er seinen Auftrag erfüllt hatte, und verschwand, wobei er lediglich einen verbrannten Erdfleck hinterließ, auf dem das Gras und sämtliche Blumen abgestorben waren. Erleichtert darüber, dass die Gefahr überstanden war, legte Hunter ihren Freund vorsichtig auf den Boden.

„Geht’s dir gut, Crafter?“, fragte sie leise.

NPCs kamen durch das Dorftor gerannt, um ihrem Anführer zu Hilfe zu eilen. Mehrere Reiter galoppierten über die Brücke, die den Graben überspannte, und ritten an ihrem gefallenen Anführer vorbei. Die Kavallerie nahm Verteidigungsposition ein und hielt sich kampfbereit, falls die Zombies einen Angriff geplant hatten … aber niemand kam.

„Hun…ter“, flüsterte Crafter mit schwacher Stimme.

Sie blickte auf ihn herab und bemerkte, dass er ganz blasse, kalte Haut bekommen hatte. Seine sonst so strahlend blauen Augen waren trüb und wässrig, als wäre ihnen das Leben entzogen worden. Hunters Miene wurde immer besorgter.

„Ist alles in Ordnung, Crafter?“

Er schüttelte ermattet den Kopf.

„Was war das?“, fragte sie leise.

Nach einem erneuten Kopfschütteln versuchte er, etwas zu sagen, doch er war zu schwach und bekam keinen Ton heraus. Hunter beugte sich vor und drückte ein Ohr an Crafters Lippen.

„Was hast du gesagt?“, erkundigte sie sich.

Seine Stimme war schrecklich kraftlos. Hunter bekam auf einmal furchtbare Angst, dass Crafter vielleicht sterben könnte.

Er rang qualvoll nach Luft und bemühte sich, ihr etwas mitzuteilen. „Holt Gameknight99…“

Dann wurde er ohnmächtig. Sein Atem ging rasselnd, und seine Haut wurde immer kälter.

„Was hat er gesagt?“, erkundigte sich Digger.

Überrascht blickte Hunter auf. Ihr war gar nicht aufgefallen, dass der große NPC neben ihr stand.

„Er hat gesagt, dass wir … ihn holen sollen“, antwortete sie. „Die Lage muss sehr ernst sein.“

Sie stand auf, hob den jungen NPC hoch und legte ihn Digger in die Arme.

„Bring ihn zu Healer“, bat sie ihn. „Ich gehe ihn suchen.“

„Du solltest ein paar Leute mitnehmen“, schlug Digger vor, während er die Kavallerie heranwinkte.

„Nein, allein bin ich schneller“, widersprach sie ihm und forderte zwei Krieger auf, vom Pferd zu steigen. Sie sprang in den Sattel des einen Pferdes, nahm die Zügel des anderen und drehte sich zu Digger um. „Kümmere dich gut um ihn. Ich komme so schnell wie möglich zurück.“

„Wir tun, was getan werden muss.“

„Das weiß ich.“ Sie lenkte ihr Pferd in Richtung des dunklen Waldes und klopfte ihm auf den Hals. „Du musst alles geben, Pferd, denn wir müssen Hilfe holen, um Crafter zu retten.“

Dann jagte sie auch schon mit halsbrecherischer Geschwindigkeit in den Wald hinein.

Aber wo soll ich Gameknight999 suchen?, dachte sie, während das Dorf aus ihrem Blickfeld verschwand.

KAPITEL 2

GAMEKNIGHT999

Gameknight999 schwang sein Schwert gegen den Kopf seines Gegners, hielt jedoch wenige Zentimeter davor inne.

„Du sollst doch blocken“, schimpfte er und seufzte. „Ich hab‘s dir schon tausend Mal gesagt: Du darfst dich nicht nur auf den Angriff konzentrieren, du musst auch blocken.“

„Ich verstehe nicht, was das damit zu tun hat, Minecraft zu spielen“, beschwerte sich sein Gegner.

„Es gibt hier Monster, die versuchen werden, dich zu töten“, erklärte Gameknight. „Du musst wissen, wie du dich verteidigst, sonst stirbst du sofort. Und jetzt komm schon, Dad, konzentrier dich!“

Er hob sein Holzschwert und deutete damit auf seinen Vater.

„Bist du bereit?“, fragte Gameknight.

Sein Vater, Monkeypants271, nickte. Er sah aus wie ein Affe in einem Superman-Outfit, komplett mit roten Stiefeln und einem großen „S“ auf der Brust. Gameknight musterte seinen Vater kopfschüttelnd.

„Warum hast du dir diesen lächerlichen Skin ausgesucht?“, wollte er wissen.

„Die anderen Skins sahen alle wie Krieger, Ninjas oder Monster aus“, erwiderte Monkeypants. „Ich wollte etwas, das aus der Masse heraussticht und an das man sich erinnert.“

„Na gut, wenn das dein Ziel war … dann hast du es erreicht“, gab Gameknight zu.

Monkeypants grinste.

„Und dieser Name … Monkeypants … Echt jetzt?“

„Mir gefällt er … Dir etwa nicht?“, fragte sein Vater.

Gameknight schüttelte einfach nur peinlich berührt den Kopf.

Ein lächerlicher Name und ein lächerlicher Skin, dachte Gameknight. Was habe ich mir nur dabei gedacht, meinem Dad beibringen zu wollen, wie man Minecraft spielt?

Immerhin war sein Vater zur Abwechslung mal zu Hause anstatt auf einer seiner vielen Reisen. Gameknight freute sich darüber, dass er wieder da war, aber ihm Minecraft näherzubringen, war nicht das gewesen, was er im Sinn gehabt hatte. Gut, er wollte ihn zu Hause haben, aber doch nicht hier unten im Keller oder in Minecraft … Das war schließlich sein Reich. Aber was konnte er schon sagen? Sein Vater wusste, was seine Familie durchmachen musste, wenn er nicht zu Hause war. Versuchte er etwa, das alles innerhalb eines Tages wiedergutzumachen … indem er Minecraft spielte?

„Na los, versuchen wir dieses PnP-Dings noch mal“, forderte Monkeypants, hob sein Holzschwert und machte sich kampfbereit.

Gameknight seufzte erneut.

„Ich hab’s dir doch schon gesagt, dass das nicht PnP, sondern PvP heißt, Monkeypants.“

„Ach ja“, meinte sein Vater. „PnP ist eine Transistorschnittstelle in Computerchips … Mein Fehler.“

Frustration machte sich in Gameknight breit. Er sah an seinem Vater vorbei zu der großen Felszunge hinüber, die etwa zwanzig Blöcke nach oben ragte und über die sich ein Wasserfall in eine tiefe unterirdische Kammer ergoss. Das war ihr nächstes Ziel: die unterirdischen Tunnel, in denen sich Zombies verbargen. Aber zuerst musste er seinem Vater das Kämpfen beibringen, sonst würde es ein kurzer Ausflug werden.

Seufzend bereitete er sich auf einen weiteren laschen Angriff vor.

Warum macht er das?, fragte sich Gameknight. Warum tut er so, als wollte er das Kämpfen lernen? Ich weiß doch, dass er diesen Teil nicht leiden kann. Er will eigentlich immer nur bauen und erfinden … und genau das will ich mit ihm zusammen machen. Warum begreift er das nicht?

Es ist so unfair. Jenny hat ihre Kunst … Das ist ihr Ding, aber mein Ding ist es, meinem Dad dabei zu helfen, neue Erfindungen zu bauen. Gameknight wurde immer wütender. Aber wie können wir das machen, wenn er nie zu Hause ist?

Er umklammerte sein Schwert etwas fester und verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen, während er zuließ, dass sich sein Zorn langsam verflüchtigte. Dann sprang er vor und ließ die Klinge durch die Luft sausen. Kaum hatte er seinen Gegner erreicht, ließ Monkeypants das Schwert fallen und starrte seinem Sohn über die Schulter. Gameknight verharrte, steckte das Holzschwert weg und wollte seinen Vater schon erneut zurechtweisen, doch der hob nur die Hand und zeigte auf das Ufer des Teichs, an dem sie trainierten.

Gameknight999 drehte sich um. Überrascht sah er, dass Hunter zusammen mit einem reiterlosen Pferd auf sie zugeritten kam. Sie näherte sich dem Rand des Wasserfalls und stieg genau dort ab, wo Gameknight die Spinne bekämpft hatte, nachdem er das erste Mal ins Spiel hineingezogen worden war. Kaum hatten ihre Füße den Boden berührt, rutschten ihre Hände schon in die Ärmel und sie verschränkte die Arme vor der Brust.

Gameknight seufzte schwer.

„Der Rat der Crafter ist also der Ansicht, dass Benutzer und NPCs auch weiterhin nichts miteinander zu tun haben dürfen?“, fragte er.

Hunter nickte, und ihre roten Haare schienen ihr am Kopf zu kleben, anstatt dass die Locken wie sonst auf und ab wippten, wie es Gameknight mittlerweile gewohnt war. Allerdings befand er sich auch gerade nicht im Spiel.

In der Vergangenheit hatte Gameknight den Digitalisierer, eine Erfindung seines Vaters, dafür verwendet, sich in das Spiel zu versetzen und wirklich darin zu existieren. Wenn er sich in Minecraft befand, sah alles so real aus, viel detaillierter, als er es auf dem Bildschirm je sehen konnte. Aber im Augenblick war alles flach und oberflächlich … wie Hunters Locken. Monkeypants und er befanden sich nicht wirklich im Spiel, sie spielten es einfach nur; sie waren zwei Benutzer, die ihre PvP-Fähigkeiten trainierten.

Hunter sah über Gameknights Kopf, um ihm dann wieder ins Gesicht zu schauen. Ihm war klar, dass sie den leuchtenden weißen Serverfaden bemerkt hatte, der sich von seinem Kopf bis nach oben in den Himmel erstreckte und ihn mit den Servern verband. Nur NPCs konnten die Serverfäden sehen – so wussten sie immer, wer ein Benutzer und wer ein NPC war … und dank der Buchstaben, die über seinem Kopf schwebten.

„Was machst du hier?“, erkundigte sich Gameknight.

Sie antwortete nicht. Stattdessen blickte sie zu den Pferden und beugte sich mit ihrem quadratischen Körper erst zu ihm und dann zu den Tieren hinüber.

„Ich glaube, sie will, dass du sie begleitest“, erkannte Monkeypants.

Gameknight sah seinen Vater an. Monkeypants steckte sein Holzschwert weg und stellte sich neben seinen Sohn. Als sich Gameknight wieder zu Hunter umdrehte, war sie bereits auf ihr Pferd gestiegen. Das reiterlose Tier steckte die Schnauze in den Teich und trank.

„Was ist denn los … Geht es allen gut?“, wollte Gameknight wissen.

Sie schüttelte den Kopf.

„Geht es um Stitcher?“, fragte er.

Erneutes Kopfschütteln.

„Um Herder? Digger?“

Sie verneinte.

„Crafter?“

Hunter nickte.

„Oh nein … Nicht Crafter. Was ist denn los?“

Hunter blickte das reiterlose Pferd und dann wieder Gameknight an.

„Verstehe“, entgegnete er.

Gameknight999 sprang auf das Pferd und schaute zu seinem Dad herunter.

„Nicht so schnell, Freundchen“, beschwerte sich sein Vater. „Ich komme mit.“

Monkeypants lief auf das Pferd zu und sprang hinter seinem Sohn in den Sattel.

„Dann los“, sagte Gameknight an Hunter gewandt, aber die war bereits losgeritten.

Er ließ das Pferd galoppieren und folgte seiner Freundin zum Dorf, das hinter dem Horizont verborgen lag. Ein Blick gen Himmel verriet ihm, dass die Sonne erst in ein paar Stunden untergehen würde. Vermutlich würden sie es noch vor Sonnenuntergang zum Dorf schaffen, aber nur, wenn sie unterwegs nicht aufgehalten wurden.

„Monkeypants, hol deinen Bogen raus und halte ihn bereit“, wies Gameknight seinen Vater an, während sie durch die Landschaft ritten. „Hier werden sich Monster herumtreiben, sobald der Sonnenuntergang näher rückt, und wir dürfen uns von ihnen nicht aufhalten lassen. Wenn du welche siehst, schieß … Warte nicht erst auf eine Einladung. Verstanden?“

„Ist das die Antwort … Gewalt?“, fragte Monkeypants. „Weißt du, manchmal gibt es einen besseren Weg als das Schwert.“

„Ach ja? Erzähl das mal den Monstern“, entgegnete Gameknight spöttisch.

„Mein Sohn, du wirst in deinem Leben viele Entscheidungen treffen müssen, wenn du vor einer Herausforderung stehst“, belehrte ihn sein Vater. „Du wirst entscheiden müssen, ob du das Richtige tust und so den meisten Menschen hilfst oder den einfachen Weg wählst und das Falsche machst. Gewalt ist fast immer der falsche Weg, denn sie führt nur zu mehr Gewalt.“

„Du verstehst Minecraft eben noch immer nicht. Jedes Monster, das du hier siehst, wird dich so lange angreifen, bis deine Gesundheit aufgebraucht ist. Für uns heißt das im Augenblick nur, dass wir wieder in der Nähe unseres Verstecks auftauchen, aber für die NPCs bedeutet es den sicheren Tod. Wir müssen also auf sie aufpassen und dafür sorgen, dass sie in Sicherheit sind. Und das können wir nur, wenn wir am Leben bleiben … Verstehst du das?“

„Ja, ich denke schon“, antwortete Monkeypants.

„Wenn du also ein Monster siehst … wie diese Spinne dort drüben …“ Gameknight deutete auf die Baumkrone einer Eiche. „Dann greifst du sie an, bevor sie sich auf dich stürzen kann … So bleibt man in Minecraft am Leben.“

Monkeypants nickte, aber Gameknight999 wusste, dass er es noch immer nicht wirklich verinnerlicht hatte.

Hunter lenkte ihr Pferd nach rechts … Sie hatte das in den Zweigen versteckte Monster entdeckt. Während sie einen Bogen um das Monster machten, behielt Gameknight die Kreatur genau im Auge. Die Spinne hockte im Blattwerk und funkelte sie aus ihren vielen rot leuchtenden Augen böse an. Monkeypants legte einen Pfeil an und zielte auf das Monster, schoss jedoch nicht. Stattdessen beobachtete er es nur, während sie vorbeiritten.

Gameknight trieb sein Pferd wieder zum Galopp an und folgte Hunter. Während des Ritts wanderten seine Gedanken zu seinem Freund Crafter, und seine Angst wurde immer größer.

Ich lasse nicht zu, dass dir etwas passiert, Crafter, dachte er. Ich biege das schon wieder hin.

Er bemühte sich um Zuversicht und Stärke, aber er wusste, dass die Lage ernst sein musste, wenn sich Hunter auf die Suche nach ihm gemacht hatte. Während er sein Pferd weiter antrieb, dachte er an all seine Freunde, und Sorge und Furcht erfüllten sein Herz.

KAPITEL 3

DAS DORF

Schweigend ritt das Trio durch die Landschaft und trieb die Pferde an, um möglichst schnell anzukommen. Gameknight blickte nervös zur quadratischen Sonne und verfolgte ihren Weg gen Horizont. Sie mussten es bis Sonnenuntergang ins Dorf schaffen, sonst würden sie Probleme bekommen. Die Nacht gehörte in Minecraft den Monstern.

Immer wieder blickte Gameknight nach rechts und links und hielt nach Monstern Ausschau, die jeden Augenblick hervorgesprungen kommen konnten. Das Klackern der Spinnen hallte über das Land, allerdings sah er keine der furchterregenden Kreaturen. Sie hielten sich vor ihm versteckt … für den Moment.

„Was ist das für ein Geräusch?“, fragte Monkeypants.

„Riesenspinnen“, gab Gameknight zurück.

„Ich hätte wohl lieber nicht fragen sollen. Warum können wir sie nicht sehen?“

„Sie verstecken sich. Normalerweise greifen sie jeden an, dem sie in der Oberwelt begegnen … aber das war vorher.“

„Vorher?“, fragte Monkeypants.

Gameknight lenkte sein Pferd neben Hunters und sah seine Freundin an. Sie erwiderte seinen Blick und schenkte ihm ein wissendes Lächeln, dann drehte sie sich wieder nach vorn.

„Bevor wir ihre Königin Shaikulud getötet haben“, verkündete Gameknight stolz.

„Ihr habt ihre Königin getötet?“, hakte sein Vater nach. „Warum?“

„Tja, sie hat versucht, uns alle umzubringen“, erklärte Gameknight999. „Sie hat eine riesige Spinnenarmee gegen Crafters Dorf in den Kampf geführt. Ich habe getan, was ich tun musste, damit meine Freunde in Sicherheit sind.“

Monkeypants hinter ihm nickte schweigend. Gameknight konnte die stolze Miene seines Vaters nicht sehen.

„Und was geht da deiner Meinung nach jetzt vor sich?“, fragte Monkeypants.

„Ich habe keine Ahnung. Hunter meinte, es hat etwas mit Crafter zu tun“, antwortete Gameknight und drehte den Kopf, um seinen Vater über die Schulter hinweg anzuschauen. „Er ist mein bester Freund, Dad, und zwar nicht nur in Minecraft … auf der ganzen Welt. Ich muss wissen, was los ist, und ihm helfen.“

„Ich schätze, wir werden bald mehr wissen“, sagte Monkeypants und deutete mit einem eckigen Finger nach vorn.

In der Ferne tauchte das Dorf auf. Eine große Mauer aus Bruchstein umringte die Siedlung aus Holzgebäuden, und ein Wassergraben umspannte die Befestigung. Über den Graben führte eine schmale Holzbrücke und erstreckte sich zu den Eisentoren, die das Sonnenlicht reflektierten. Hohe Bogenschützentürme ragten nahe der Brücke in die Luft, damit die Krieger ungehindert auf jene schießen konnten, die dumm genug waren, die Brücke ungefragt zu überqueren.

„Wir müssen uns beeilen“, drängte Gameknight, denn der Himmel wandelte sich langsam von Dunkelblau zu leuchtendem Rot.

Als sie sich dem Dorf näherten, hörten sie das traurige Stöhnen von Zombies aus dem Wald ganz in der Nähe. Gameknight sah zu den dunklen Bäumen hinüber und erspähte die verrottenden Kreaturen, die sich am Waldrand sammelten. Diejenigen, die Lederkappen trugen, standen im Sonnenlicht. Ihre Kopfbedeckung schützte sie vor den brennenden Sonnenstrahlen. Die anderen verbargen sich im immer länger werdenden Schatten.

„Sind das echte Zombies?“, fragte Monkeypants aufgeregt.

„Ja.“

„Reiten wir näher ran, ich will sie sehen.“

„Für die Dorfbewohner ist das kein Spiel, Dad. Die Zombies werden versuchen, in das Dorf einzudringen und alles zu zerstören. Wir müssen tun, was wir können, um ihnen zu helfen, und das bedeutet, dass wir das Dorf schnellstmöglich erreichen müssen.“

Sie ließen ihre Pferde galoppieren und hielten auf die Holzbrücke zu, die ins Dorf führte. Als sie näher kamen, sprang Gameknight geschickt ab.

„Monkeypants, reite ins Dorf“, rief Gameknight, während er auf die Zombiehorde losging. „Ich komme in ein paar Minuten nach.“

„Aber was ist mit …“

„Vertrau mir einfach und folge Hunter. Ich bin gleich bei euch.“

Gameknight wartete nicht ab, um zu sehen, ob sein Vater auf ihn hörte, sondern lief direkt auf die Baumgrenze zu. Als er aufblickte, sah er die funkelnden Sterne am immer dunkler werdenden Himmel aufleuchten. Er hielt dort, wo er sich noch in Reichweite der Bogenschützentürme befand, zog ein paar TNT-Blöcke aus seinem Inventar und verteilte sie sichtbar überall auf dem Schlachtfeld. Danach lief er in Richtung Brücke und platzierte weitere gestreifte Blöcke. Beim Überqueren der Brücke stellte er vier Sprengblöcke direkt in der Mitte ab und lief dann auf die Eisentore zu. Im Dorf angekommen suchte er nach der Person, von der er wusste, dass sie ganz in der Nähe sein würde … Stitcher. Er fand sie oben auf der Mauer. Sie hatte ihren Bogen vermutlich im Inventar, denn ihre Arme waren vor der Brust verschränkt.

„Stitcher, schieß auf das TNT, wenn du die Zombies zurücktreiben musst“, rief er ihr zu. „Zerstöre notfalls die Brücke. Sie neu aufbauen zu müssen ist allemal besser, als die Monster bis ans Tor zu lassen.“

Er wusste, dass sie nicht antworten würde, also rannte er gleich weiter zum Turm in der Dorfmitte. Dort fand er Hunter am Eingang stehend vor und Monkeypants neben ihr. Sobald sie ihn sah, trat sie durch die offene Tür ins Gebäude.

„Komm, Monkeypants“, sagte Gameknight und lief an seinem Vater vorbei.

In einer Ecke des Raums angekommen, holte er seine Spitzhacke hervor und hieb auf den Eckblock ein. Nach drei starken Schlägen zerbrach der Bruchsteinblock und gab die Sicht auf einen senkrechten dunklen Schacht frei, an dessen Wand eine Leiter befestigt war. Ohne zu warten, kletterte Hunter hinab in die Dunkelheit.

„Folge mir“, forderte Gameknight seinen Vater auf. „Wir gehen zur Fertigungskammer. Dort ist bestimmt auch Crafter.“

Gameknight trat auf die erste Stufe und machte sich auf den Weg nach unten. Er konnte die Schritte seines Vaters über sich hören, allerdings war in dem dunklen Tunnel nur wenig zu erkennen. Während er hinabstieg, erblickte Gameknight unter sich einen schwachen Lichtkreis in der Ferne – eine Fackel, die das Ende des Tunnels markierte. Nach und nach wurde es immer heller im Tunnel. Als er das Ende der Leiter erreicht hatte, erwartete ihn dort bereits die ungeduldig wirkende Hunter. Sie bedeutete ihm, ihr zu folgen, und eilte den Gang entlang. Nach einem Dutzend Blöcken hielt sie an und stapelte Steinblöcke vor sich auf, mit denen sie den Tunnel verschloss. Dann drehte sie sich um und verschloss auch die Passage hinter sich, wodurch sie und Gameknight in der Dunkelheit eingeschlossen waren. Sein Vater blieb ausgesperrt. Sie zog eine Fackel hervor, steckte sie in die Wand und sah ihren Freund an.

„Wir müssen reden“, sagte sie leise und gehetzt.

Gameknight hörte die verwirrten Rufe seines Vaters von der anderen Seite der Steinblöcke, ignorierte ihn aber für den Augenblick.

„Was ist denn los?“, fragte Gameknight.

„Wie du bereits erraten hast, hat der Rat der Crafter die Regel in Bezug auf Benutzer wieder in Kraft gesetzt“, erklärte Hunter. „NPCs dürfen weder sprechen noch ihre Hände benutzen, wenn sich ein Benutzer in der Nähe befindet.“

Gameknight nickte.

„Aber deshalb sind wir nicht hier, oder?“, fragte er weiter.

„Nein. Crafter ist krank … Er stirbt.“

„Wie bitte?“, rief Gameknight entsetzt.

„Irgendetwas zerfrisst ihn, zehrt seine Gesundheit auf und tötet ihn ganz langsam. Im Augenblick sind wir noch in der Lage, ihn am Leben zu halten, aber nur um Haaresbreite. Wenn die Angriffe weitergehen, wird er möglicherweise nicht überleben.“

„Wer hat das verursacht? Eine Höhlenspinne … oder der Zombiekönig?“

„Wir wissen es nicht“, antwortete sie. „Wir bezeichnen es als den Schatten des Bösen. Er bewegt sich wie ein verseuchter Fleck über die Oberfläche von Minecraft, und wenn er Crafter findet, greift er ihn mit seltsamen dunklen Stacheln aus Hass und Boshaftigkeit an. Wir können ihn nicht aufhalten, und es scheint keine Verteidigung dagegen zu geben.“

„Wo ist Crafter? Ich muss ihn sehen.“

„Er ist unten in der Fertigungskammer“, erklärte sie. „Aber ich muss dich warnen: Er ist sehr schwach und kaum bei Bewusstsein. Ich weiß nicht, ob er sprechen kann, aber seine letzten Worte nach dem ersten Angriff waren, dass wir dich herholen sollen.“

„Worauf warten wir dann noch?“

Gameknight zückte seine Spitzhacke und zerbrach die Blöcke, die den Gang ausfüllten.

„Was geht denn hier vor? Es war ziemlich unhöflich, mir den Tunnel direkt vor der Nase zu versperren“, beschwerte sich Monkeypants.

„Tut mir leid“, erwiderte Gameknight und steckte die Spitzhacke wieder weg. „Aber Hunter musste mir erzählen, was los ist, und sie dürfen nicht mit Benutzern sprechen oder ihre Hände benutzen. Würde ein anderer NPC sie dabei erwischen, würde man sie aus dem Dorf verbannen. NPCs, die zu keinem Dorf gehören, müssen in der Wildnis leben und halten das nicht lange durch … Es ist sozusagen die Todesstrafe.“

„Und was genau ist jetzt los?“, fragte Monkeypants.

„Crafter ist krank, und irgendetwas in Minecraft greift ihn an“, erklärte Gameknight, während er sich umdrehte und weiter durch den Gang lief. „Sie wissen nicht, was ihn attackiert … Es ist kein Monster … Es ist irgendetwas tief im Gewebe von Minecraft.“

„Das klingt ernst“, meinte sein Vater.

„Für die NPCs ist alles in Minecraft ernst“, gab Gameknight zurück. Mittlerweile hatten sie das Ende des Gangs erreicht und betraten eine große Kammer, an deren gegenüberliegender Seite sich eine Eisentür befand.

Hier war Gameknight999 Crafter bei seinem ersten Abenteuer in Minecraft zum ersten Mal begegnet. Er konnte sich noch genau daran erinnern, wie Crafter damals ausgesehen hatte – ein altes runzeliges Gesicht, eingerahmt von langen grauen Haaren, während sich große Weisheit in seinen blauen Augen widergespiegelt hatte. Nach jener ersten schicksalhaften Schlacht gegen die Monster der Oberwelt hatten Crafter und Gameknight die Monsterhorde aufgehalten, waren dabei aber ums Leben gekommen. Als Gameknight auf dem nächsten Server wiederauferstanden war, hatte sich sein Aussehen nicht verändert, während Crafter sich von einem altersgebeugten Greis in einen jungen Mann verwandelt hatte, in dessen strahlend blauen Augen jedoch noch immer dieselbe zeitlose Weisheit schimmerte.

Seitdem hatte er zusammen mit Crafter viele Abenteuer überstanden, und sie hatten ganze Monsterhorden besiegt, um Minecraft zu retten. Gameknight konnte einfach nicht glauben, dass sein Freund eventuell sterben würde.

Was soll ich nur ohne Crafter tun?, fragte er sich.

„Alles in Ordnung?“, erkundigte sich Monkeypants.

Gameknight sah zu seinem Vater auf, der ihn besorgt musterte.

„Ja … Ich habe nur Angst um meinen Freund. Was ist, wenn er stirbt … wenn ich das, was ihn angreift, nicht besiegen kann … wenn …“

„Konzentriere dich auf das Hier und Jetzt“, unterbrach sein Vater ihn. „Nicht auf das, was sein könnte.“

„Du hast ja recht.“

Gameknight lächelte seinen Vater an, dann drehte er sich um und stellte sich vor die Eisentür. Er zog sein Diamantschwert und schlug mit dem Griff gegen die Tür. Die Türflügel dröhnten wie riesige Gongs und erfüllte den gesamten Raum mit diesem Klang. Langsam öffnete sich die Tür, und auf der anderen Seite stand Herder. Der Junge, dessen lange schwarze Haare wie aufgemalt an der Seite seines Kopfes klebten, musterte ihn besorgt.

Gameknight legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter, dann betrat er die Fertigungskammer. Anstatt vom Klang von fünfzig NPCs begrüßt zu werden, die alles herstellten, was in Minecraft gebraucht wurde, empfing ihn nichts als ohrenbetäubende Stille. Sämtliche NPCs in der Fertigungskammer bedachten ihn mit demselben besorgten Blick, den er auch bei Herder gesehen hatte. Diese Dorfbewohner hatten schreckliche Angst um Crafter und erwarteten wieder einmal, dass Gameknight999 ihn rettete … dass er sie alle rettete.

Aber was ist, wenn ich das nicht kann?

Er schob seine Zweifel beiseite und ging die Stufen hinunter in die Fertigungskammer.

KAPITEL 4

CRAFTERS SCHICKSAL

Gameknight ging langsam in die Mitte der Fertigungskammer. Überall im Raum standen NPCs vor ihren Werkbänken, doch solange ein Benutzer unter ihnen war, konnten sie nichts tun. Sie hatten alle die Arme vor der Brust verschränkt, doch Gameknight sah in den rechteckigen Augen jedes NPCs dieselbe Angst um Crafter, die auch er empfand.

Er hörte seinen Vater und Hunter hinter sich, während er die Treppe hinablief. Monkeypants stellte unablässig Fragen zum Zweck dieser Kammer und wollte wissen, wozu die Lorengleise existierten, die sich an den Werkbänken vorbeischlängelten und in einem dunklen Tunnel verschwanden. Doch Gameknight würdigte die Loren mit den Waffen, Rüstungen und Pfeilen kaum eines Blickes. Dann erkundigte sich Monkeypants, ob sich die NPCs immer noch auf den Krieg vorbereiteten, aber Gameknight wollte ihm die vielen Fragen jetzt noch nicht beantworten … Im Augenblick interessierte ihn nur Crafter.

Er ignorierte seinen Vater und war ganz auf den kleinen Raum fokussiert, der in die Steinwand der Kammer geschlagen worden war. Darin standen ein Bett, eine Truhe und ein Tisch. Crafter lag reglos auf dem leuchtend roten Bettzeug. An seiner Seite stand Digger. Als Gameknight sich dem Raum näherte, hörte er weit über sich das Rumpeln von explodierendem TNT. Die Zombies griffen anscheinend gerade an.

Aber das war jetzt nicht wichtig … Im Moment zählte nur Crafter.

Gameknight betrat den Raum, betrachtete seinen Freund und war erschrocken, wie blass dessen Haut aussah. Sie war fast schon totenbleich. Vorsichtig legte er Crafter eine Hand auf die Stirn, weil er wissen wollte, ob sein Freund Fieber hatte, aber natürlich konnte er nichts fühlen; er war nicht im Spiel … Er spielte es nur als Benutzer.

„Was stimmt denn nicht mit ihm?“, fragte Monkeypants.

„Ich weiß es nicht“, antwortete Gameknight. „Glaubst du …?“

Bevor er die Frage beenden konnte, trat Digger vor und schob Monkeypants sanft aus dem Raum, sodass nur Gameknight999 und Crafter zurückblieben. Irgendjemand füllte den Eingang schnell mit Bruchsteinblöcken und schloss Gameknight auf diese Weise mit seinem kranken Freund ein. Auf dem Tisch stand eine Flasche mit roter Flüssigkeit – ein Heiltrank. Gameknight nahm die Flasche in die Hand, zog den Stöpsel und trat zu Crafter. Vorsichtig hob er den Kopf seines Freundes an und flößte ihm die Flüssigkeit ein. Sofort veränderte sich Crafters Hautfarbe und wechselte von totenbleich zu einem etwas normaleren Farbton, der jedoch weiterhin fahl und kränklich wirkte.

Crafter hustete und öffnete langsam die Augen. Gameknight setzte sich auf den Bettrand und nahm Crafters Kopf vorsichtig auf den Schoß. Er sah ihm in die nun trüben blauen Augen und wusste, dass sein Gesicht die Furcht widerspiegelte, die sein ganzes Wesen erfüllte.

„Was ist denn los, Crafter?“, fragte Gameknight. „Nichts für ungut, aber du siehst furchtbar aus.“

„Falls es dich tröstet: Ich fühle mich noch schlimmer, als ich aussehe“, erwiderte Crafter mit schwacher Stimme. Ihm gelang ein leichtes Lächeln, dann stöhnte er, und ein Schatten schien über ihn hinwegzuziehen. Als der dunkle Fleck Gameknights Bein berührte, stellte er fest, dass er rot aufleuchtete und Schaden erlitt, aber er spürte keinen Schmerz. Er war nicht im Spiel; er war nur ein Beobachter, ein Benutzer, der sich amüsieren wollte. Aber für Crafter sah die Sache anders aus. Er litt Höllenqualen, wann immer das Schattenwesen mit seinen finsteren Stacheln auf ihn einstach.

Und dann verschwand der Schatten des Bösen so plötzlich, wie er gekommen war.

Gameknight beugte sich vor und öffnete die Truhe, in der Hoffnung, sie würde das enthalten, was er brauchte. Zu seinem Glück war sie gefüllt mit Heiltränken. Er holte einen heraus und hielt Crafter die Flasche an die Lippen. Sobald sein Freund die rosafarbene Flüssigkeit getrunken hatte, konnte er wieder etwas besser atmen.

„Es kommt jetzt etwa alle zwei Tage“, murmelte Crafter mit schwacher Stimme. „Und manchmal noch häufiger.“

„Aber was war das, Crafter?“

„Es ist Herobrine.“

„Was?!“

Crafter nickte.

„Ich erkenne es an der Bösartigkeit in dem Schatten“, erklärte Crafter. „Irgendwie hat er herausgefunden, wie er das Gewebe von Minecraft mit seinen bösen und hasserfüllten Gefühlen beeinflussen kann.“ Er hustete und holte keuchend Luft. „Sie nennen das Ding ‚Schatten des Bösen‘, weil es sich für die meisten NPCs so anfühlt. Die anderen Dorfbewohner glauben mir nicht, doch ich weiß, dass es Herobrine ist.“

„Aber nach der letzten Schlacht haben wir ihn doch im Körper eines Schweins eingesperrt. Und das ist noch immer gefangen … oder nicht?“

Crafter nickte.

„Die NPCs haben über der Stelle ein riesiges Monument gebaut“, berichtete Crafter. „Tonnenweise Stein und Erde wurden über der Zelle aufgestapelt, die Digger gebaut hat, um das Herobrine-Schwein einzusperren. Er ist definitiv noch eingesperrt, aber der kleine Schweinekörper ist vermutlich nicht stark genug, um all das Böse in sich zu halten, das Herobrines Seele erfüllt.“

Crafter versuchte angestrengt, sich aufzurichten. Gameknight half seinem Freund hoch, bis dieser am Bettrand saß. Die Anstrengung raubte dem NPC beinahe das letzte bisschen Kraft.

„Das Böse sickert heraus … und es wird stärker.“ Crafters Stimme wurde immer leiser. „Wenn wir nicht bald etwas unternehmen, wird Herobrines Bösartigkeit das Land zerstören.“

„Aber wie können wir ihn vernichten?“, fragte Gameknight. „Sollte jemand das Schwein töten, wird derjenige von Herobrines Erfahrungspunkten infiziert, und dann ist er wieder frei. Wir können ihn nicht einfach umbringen.“

Crafter atmete röchelnd ein und ließ sich dann wieder nach hinten sinken.