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Published in the French language originally under the title:

Journal d’un Noob (guerrier suprême) – volume 6

© 2018, 404 éditions, an imprint of Édi8, Paris, France.

ISBN 979-1-0324-0171-2

Texte: Cube Kid

Illustrationen: Saboten

Layout: Axel Mahé

„Minecraft” ist eine eingetragene Marke der Notch Development AB.

Dieses Buch ist ein rein fiktives Werk. Es handelt sich dabei nicht um ein offizielles „Minecraft“-Lizenzprodukt und steht in keiner Verbindung mit Mojang AB oder einem anderen „Minecraft“-Rechteinhaber.

Alle Namen, Charaktere, Orte und Handlungen sind vom Autor erdacht und rein fiktiv.

Copyright der deutschen Ausgabe:

© Ullmann Medien GmbH

Übersetzung aus dem Französischen: Annette Ostländer

Lektorat: Christoph Eiden

Satz: ce redaktionsbüro

Redaktion: Sabine Herbold

Coveradaption: MWK, Köln

Gesamtherstellung: Ullmann Medien GmbH, Rheinbreitbach

ePub Konvertierung: Datagrafix GmbH, Berlin

eISBN: 978-3-7415-2366-3

10 9 8 7 6 5 4 3 2 1

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www.ullmannmedien.com

info@ullmannmedien.com

Für Lola Salines, die Herausgeberin dieser Bücherreihe,
die am Freitag, den 13. November 2015 in den Club Bataclan
tanzen gehen wollte. Danke, dass du an mich geglaubt hast.

Cube Kid

INHALT

Cover

Opener

Impressum

Hingabe

Titelblatt

Inhalt

Tag 8 Samstag - XXII

Tag 8 Samstag - XXIII

Tag 8 Samstag - XXIV

Tag 8 Samstag - XXV

Tag 8 Samstag - XXVI

Tag 8 Samstag - XXVII

Tag 8 Samstag - XXVIII

Tag 9 Sonntag - I

Tag 9 Sonntag - II

Tag 9 Sonntag - III

Tag 9 Sonntag - IV

Tag 9 Sonntag - V

Tag 9 Sonntag - VI

Tag 9 Sonntag - VII

Tag 9 Sonntag - VIII

Tag 9 Sonntag - IX

Tag 9 Sonntag - X

Tag 10 Montag - I

Tag 10 Montag - II

Tag 10 Montag - Teil III

Tag 10 Montag - IV

Tag 10 Montag - V

Tag 10 Montag - VI

Tag 10 Montag - VII

Tag 10 Montag - VIII

Tag 10 Montag - IX

Tag 10 Montag - Teil X

Tag 11 Dienstag

Tag 11 Dienstag - II

Tag 11 Dienstag - III

Tag 11 Dienstag - IV

Tag 11 Dienstag - V

Tag 11 Dienstag - Teil VI

Tag 11 Dienstag - VII

Tag 11 Dienstag - VIII

Tag 11 Dienstag - IX

Tag 11 Dienstag - X

Tag 11 Dienstag - XI

Tag 12 Mittwoch - I

Tag 12 Mittwoch - II

Tag 12 Mittwoch - III

Tag 12 Mittwoch - IV

Tag 12 Mittwoch - V

Tag 12 Mittwoch - VI

Tag 12 Mittwoch - VII

Biografie des Autors

TAG 8
SAMSTAG - XXII

Auf dem langen Weg zurück nach Eulenfeld löcherte ich S mit Fragen. Er schien über alles bestens Bescheid zu wissen, warum also hätte ich mich zurückhalten sollen?

Leider jedoch entwickelte sich mein Interview nicht ganz so ergiebig, wie ich es erhofft hatte. S antwortete mir eben wie ein Mensch, was für einen einfachen Dorfbewohner wie mich ziemlich verwirrend war.

— Warum ist der Himmel blau?

— Weil er auf der Erde blau ist. Das Spiel sähe komisch aus, wenn der Himmel violett wäre.

Oh! Warum haben die Dorfbewohnerjungen große Nasen und die Mädchen kleine?

— Ich glaube, es war Entitys Idee. Er und seine Leute haben an einem neuen Servermodus gearbeitet, der die Dorfbewohner realistischer aussehen lässt. Sie bekamen also ein unterschiedliches Aussehen, unterschiedliche Charaktere und verhielten sich auch unterschiedlich. Danach beschwerten sich viele Spieler darüber, dass die Mädchen hässlich seien. So hat Entity ihnen kleinere Nasen und Haare verpasst. Schließlich haben die Autoren – eine Handvoll ausgewählter Spieler, die die Aufgabe hatten, die Geschichte des Spiels niederzuschreiben – in einem Satz erwähnt, dass sich die Dorfbewohnerjungen ihren Schädel aus traditionellen Gründen rasierten. Nach dem Bug des Servers wurde jedes Wort der Autoren wahr.

— Ich verstehe gar nichts mehr. Was ist denn ein Bug? Was ist da passiert?

Schließlich erzählte S mir, dass die vollständige Zerstörung ihrer Welt, der Erde, im Jahr 2039 unmittelbar bevorstand.

Als ihre letzte Stunde geschlagen hatte, haben sich einige von ihnen in die Virtuelle Realität (auch als VR bezeichnet) geflüchtet. Offenbar genügte es, sich einen Helm aufzusetzen, um in eine andere Welt zu gelangen. Allerdings gab es dieses Universum nur in ihrer Vorstellung, es war also nur eine Illusion. Die Welt, in die sie geflüchtet waren, ist allerdings diese – damals unter dem Namen Aetheria-Server bekannt. Nachdem sie zuvor bereits Hunderte von Stunden in dieser virtuellen Welt verbracht hatten, hatten die meisten von ihnen hier viele Freunde, von denen sie sich nun verabschieden wollten. Sie waren alle süchtig nach diesem Spiel und hatten mehr Zeit in Aetheria verbracht als in ihrer eigenen Welt. In der Wirklichkeit hatten sie oft keine Freunde und auch keine Familie. Daher war es auch völlig normal für sie, ihre letzten Augenblicke in einer Welt zu verbringen, in der sie sich wohlfühlten und von all ihren virtuellen Freunden umgeben waren …

— Aber was ist dann passiert? Die Welt, also eure echte meine ich, ist doch gar nicht untergegangen, oder?

— Woher sollen wir das wissen? Als die Zeit abgelaufen war, sind diejenigen, die noch im Spiel eingeloggt waren, ohnmächtig geworden und schließlich in allen möglichen Gegenden aufgewacht. Sie befanden sich allerdings immer noch im Spiel. Aber das Spiel war jetzt anders. Es war real. Man konnte sich auch nicht wieder ausloggen und das Spiel verlassen. Mittlerweile ist es uns gelungen, in das Hauptmenü des Spiels, das nur den Administratoren vorbehalten ist, vorzudringen. Aber es reagiert nicht.

Oh!

Mein Blick schweifte verloren umher, bis irgendetwas meine Aufmerksamkeit erregte.

He, schau mal! Eine Kohleader! Lasst uns ein Päuschen machen und sie ausgraben!

 

S blickte mich erstaunt an

und stieß einen Seufzer aus.

TAG 8
SAMSTAG - XXIII

Als wir endlich in Eulenfeld eintrafen,

war es schon ziemlich dunkel und kalt.

 

Durch die Straßen wehte ein eisiger Wind. Bis auf einige wenige Fußgänger, die von hier nach da hasteten, lag der Ort wie verlassen da. Doch die meisten Geschäfte waren noch geöffnet. Das Licht der Schaufenster strahlte verlockend in der Dunkelheit, und manchmal, wenn sich in den Läden jemand bewegte, flackerten die Lichter hier und da kurz auf. Als erstes gingen wir in Begleitung unserer neuen Verbündeten auf den Hauptplatz zu, wo wir uns voneinander verabschiedeten.

Ich blickte ihnen nach, und es tat mir richtig leid, dass wir uns so hastig verabschieden mussten.

Aber sie hatten eben ihre Quest und wir die unsrige. Mit dem eiskalten Wind im Rücken machten sich die beiden Vertreter von Team Minus auf den Weg zum Schmied. Aber sollte ich nicht, vor allem nach den heutigen Ereignissen, lieber vom Team Alice sprechen …?

 

Der Schmied gab mir wie versprochen 750 Smaragde für das Leuchtende Moos. Wir verkauften auch noch unsere Beute, die uns weitere 3752 Smaragde einbrachte. Ich fand das ziemlich seltsam, denn wir hatten ja nur Urfs Sachen verkauft und nicht die vielen Dinge vom Boss. Alice und ich hatten beschlossen, dessen Hinterlassenschaften unseren Freunden im Dorf mitzubringen. Es handelte sich schließlich um die Souvenirs unseres ersten kleinen Streifzugs durch die Oberwelt. Und bevor ihr danach fragt: Ja, Alice hatte darauf bestanden, diesen dämlichen Stock für sich zu behalten.

Direkt danach gingen wir ins Zwei Federn.

Lässig schlurfte ich in den Laden, blickte Feder direkt in die Augen und knallte ihr 2500 Smaragde auf den Verkaufstresen, der mit himmelblauem Filz bezogen war.

— Ich hätte gern eine perffff … äh, eine Schmiede der Ewigkeit.

(Da hätte ich fast einen Fehler gemacht, denn erst im letzten Augenblick erinnerte ich mich an die korrekte Bezeichnung der perfekten Werkbank. Aber ich denke, sie bemerkte es gar nicht.)

 

Das ging aber schnell!, antwortete Feder. Ich schätze mal, du hast eine Quest gefunden und erfüllt.

Nachdem sie einen Seitenblick auf Alice geworfen hatte, fügte sie schelmisch lächelnd hinzu:

— Und so, wie ich es sehe, ist es euch dabei sehr gut ergangen.

 

Wie bitte?!

Was wollte sie damit sagen?!

Und warum starrte sie ständig auf unsere Hände?!

 

Erst in diesem Augenblick wurde mir bewusst, dass Alice und ich … äh … uns an den Händen hielten.

Naja, der Wind ist heute Abend auch wirklich ziemlich eisig. Sogar hier drinnen ist es frostig. Wahrscheinlich hat sie einfach nur kalte Hände. Schließlich sind wir ja auch hoch im Norden …

Es ist nicht so, wie es aussieht, sagte ich. Sie ist nicht meine …

Alice unterbrach mich mit einem Lächeln.

— Unsere Quest ist tatsächlich sehr gut gelaufen, aber jetzt sind wir müde. Wenn Sie uns bitte jetzt die Werkbank aushändigen könnten …

— Ich bin gleich zurück.

Einige Minuten später hielt ich diesen so unfassbar leistungsstarken Block in Händen. Er fühlte sich warm an und die in Reihen angebrachten Diamanten und Smaragde glitzerten sanft. Kaum zu glauben, dass dieser Gegenstand schon mehrere tausend Jahre alt war. Er erweckte den Eindruck, als sei er erst gestern hergestellt worden. Seine grauen Oberflächen hatten nicht den geringsten Kratzer und die Diamanten an den Seiten zeigten keinerlei Gebrauchsspuren.

Ich reichte ihn an Alice weiter, die ihn wie eine kleine Hobbyhistorikerin sofort von allen Seiten inspizierte.

Darf es sonst noch etwas sein?, fragte Feder.

Als wenn das nicht schon mehr als genug wäre!, dachte ich, sagte aber nichts und schüttelte nur mit dem Kopf.

Als Feder dann ihren Mund öffnete, um zweifellos eine ihrer abgedroschenen Händlerphrasen loszuwerden, unterbrach ich sie schnell und sagte mit lauter Stimme: „ES WAR UNS EINE GROSSE FREUDE, MIT IHNEN GESCHÄFTE ZU MACHEN!“ (Das saß! Sie hatte nicht den leisesten Schimmer, was sie darauf antworten sollte. Sie schloss ihren Mund wieder und klimperte nur mit den Augen. Tja, als Profi weiß ich eben, wie man mit Händlern umgeht!)

Mit der Werkbank in der Tasche zog Alice mich an der Hand nach draußen.

— Der Bürgermeister wird vor Freude ausflippen, sagte sie, während wir zu ihrem Pferd gingen.

— Du denkst also, er wird nicht mehr sauer sein, weil ich abgehauen bin, ohne es ihm vorher zu sagen?

Bestimmt nicht. Wenn er sieht, was du mitbringst, wird er dir verzeihen. Mein Vater auch.

— Ja, wahrscheinlich.

Ich war unglaublich erleichtert.

Meine Mission war erfüllt.

Wir brauchten uns jetzt nur noch in den Sattel von Shybiss zu setzen und zurück nach Hause zu reiten.

Aber nicht sofort, denn es war schon ziemlich spät geworden. Wir hatten ausreichend Smaragde, um uns eine weitere Nacht im Hotel zu gönnen. Wir hatten sogar genug, um morgen früh ein zweites Pferd, ein königliches Frühstück und etwa einhundert Tränke der Heilung zu kaufen. Schließlich habe ich heute gelernt, dass man nie genug Tränke haben kann, um sich seine Lebenspunkte zu erhalten.

 

All das schlug ich Alice vor, und sie fügte dieser Liste noch ein schönes heißes Bad hinzu. Mit der sorgfältig in meinem Inventar verstauten Schmiede machten wir uns auf die Suche nach einem Zimmer, einem warmen Abendessen und einer erholsamen Nacht mit viel Schlaf. Auch Shybiss war erschöpft, und die Art, wie sie kleine Dampfwolken in die kalte Luft ausstieß, erinnerte mich an eine Redstone-Dampfmaschine.

TAG 8
SAMSTAG - XXIV

Als wir beim Verzauberten Drachen eintrafen, führte Alice Shybiss direkt in den Stall hinter dem Hotel.

Ein paar Augenblicke später vernahm ich Tritte gegen eine Tür, denen kurz darauf ein Schrei folgte. Der Lärm drang von der entgegengesetzten Seite des Gebäudes herüber. Mit den Händen in den Taschen in meinem Inventar schlenderte ich in diese Richtung.

 

Auf dieser Seite des Hotels, gegenüber des Stalls, befand sich ein kleines Nebengebäude mit einer Tür. Wahrscheinlich war dies der Personaleingang für die Köche und die restlichen Dienstboten. Als ich dort ankam, stand die Tür weit offen. Der Hotelier und eine Kellnerin standen im Eingang.

— Habe ich dir nicht schon tausendmal gesagt, dass du nicht zurückzukommen brauchst!, wetterte der Hotelier.

Ach, bitte!, flehte die Kellnerin. Ich brauche diese Arbeit unbedingt. Geben Sie mir doch noch eine Chance!

— Ich habe dir schon genug Chancen gegeben! Wie oft bist du schon zu spät zur Arbeit gekommen? Und darüber hinaus meist auch noch völlig verdreckt! So wie jetzt!

— Es tut mir leid. Ich habe noch … eine zweite Arbeit. Ich brauche Ihre Hilfe, flehte sie erneut. Ihre Stimme zitterte vor Verzweiflung.

Bitte! Es wird nie wieder vorkommen, das verspreche ich.

Es ist genug! Ich habe schon jemand anderen eingestellt. Und ich gebe dir folgenden Rat, kleine Dame: Lerne erst einmal den Unterschied zwischen einer Hellbeerenrolle und einer Enderpufftorte, bevor du dich auf die Suche nach einer neuen Arbeit machst!

 

Der stämmige Hotelier schlug ihr heftig die Tür vor der Nase zu. Mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern machte die Kellnerin langsam auf ihren Absätzen kehrt. Als sie mich bemerkte, zuckte sie zusammen.

Ihre blonden Haare waren zerzaust und feucht, ihre Kleidung (es war eine dieser typischen Uniformen, die von den Kellnerinnen in den Großstädten der Oberwelt oft getragen wurden) war vollkommen zerknittert.

Ihr Gesichtsausdruck war in einem ähnlich schlechten Zustand wie ihre Bekleidung. Sie schien am Ende zu sein, erschöpft, verängstigt und verzweifelt.

Als ich sie ansah, konnte ich mir nicht vorstellen, dass sie die Nacht irgendwo anders als auf der Straße verbringen würde.

Sie ging an mir vorbei, als wäre ich gar nicht da, und schlich, am ganzen Körper zitternd, auf den Hoteleingang zu. Doch sie erreichte die Tür nicht. Wie von einem plötzlichen Schwindel gepackt, stützte sie sich auf einem vermoosten Stein ab, strauchelte und fiel auf die Knie. Unter offensichtlich großen Schmerzen versuchte sie, wieder auf die Füße zu kommen.

— He! Was ist? Alles in Ordnung?, fragte ich.

— Ich … fühle mich ein wenig …

Das war‘s dann auch, sie brach endgültig zusammen.

— Was war mit ihr passiert?

Alice war neben mir aufgetaucht. Ich hatte sie gar nicht kommen hören.

— Ich glaube, sie ist krank.

Die arme Kellnerin war mittlerweile völlig weggetreten und murmelte irgendetwas über eine Quest. Je länger ich sie ansah, desto stärker überkam mich das Gefühl, sie zuvor schon irgendwann einmal gesehen zu haben.

 

Diese Haare … und diese Stimme!

Nein … Wie war das nur möglich …?

 

Alice beugte sich zu ihr hinunter und zeigte mit dem Finger auf einen großen dunkelgrünen Fleck auf der Uniform des Mädchens.

Eigenartig! Man könnte meinen, dass sie vor vor Kurzem einen Schleim getötet hat. Getrockneter Schleim. Warum sollte eine Kellnerin mit einem Schleim kä…

Alice verstummte. Ihr war klargeworden, wer da vor ihr lag.

 

Jetzt hatte auch ich sie erkannt. Jede Farbe war aus meinem Gesicht gewichen. Ich öffnete den Mund, bekam aber keinen Ton heraus.

Natürlich hätten wir sie mithilfe der Analyse früher identifizieren können, aber wir kannten diese Fähigkeit gerade einmal einen Tag und hatten daher gar nicht in Erwägung gezogen, diese Methode anzuwenden. Aber die Analyse hätte auch nur bestätigt, was wir eh schon wussten.

 

Es handelte sich um ein Mädchen, dass nicht hätte hier sein dürfen und schon gar nicht in dieser Kleidung oder in dieser Verfassung. Ein Mädchen, das für seinen Mut, sein Mitgefühl, sein Ehrgefühl, seine Disziplin und seine große Sachkenntnis bekannt war.

Ein Mädchen, das immer als Klassenbeste gefeiert worden war.

 

Ein Mädchen aus Dorfstadt.

Ein Mädchen namens Ophelia.

TAG 8
SAMSTAG - XXV

Zunächst einmal mussten wir Ophelia dringend ins Haus bringen. Sie war zwar nicht ernsthaft verletzt, hatte aber drei Statuseffekte: Erschöpfung, Lebensmittelvergiftung und Unterkühlung. Es handelte sich um Debuffs wie beispielsweise die Abbaumüdigkeit. Ihre Erschöpfung musste nach und nach immer mehr zugenommen haben, bis sie schließlich bewusstlos geworden war. Glücklicherweise war ich just in diesem Augenblick aufgekreuzt. Wäre sie draußen geblieben, hätte die Unterkühlung ihren Zustand verschlimmert und sie wäre in eine ernstere Lage geraten, als einfach nur einzuschlafen.

— Ich habe noch nie jemanden getragen, sagte Alice.

Das ist ganz leicht. Du packst sie an den Schultern und ich nehme ihre Beine.

O.k. Sie kann ja nicht so schwer sein, oder? Ääh … Wie öffnen wir jetzt die Tür?

Kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen, flog die Eingangstür auch schon auf und zwei Zwerge stürmten heraus. Einer der beiden warf Ophelia einen misstrauischen Blick zu.

— Dieses Mädchen hat mir Schaf statt Schweinekoteletts serviert, knurrte er seinem Begleiter zu. Und mein Kuchen war auch verkohlt!

Typisch Dorfbewohner, antwortete der andere. Diese NPCs kennen noch nicht einmal den Unterschied zwischen einer Werkbank und einem Schleimblock. Was ist das überhaupt für ein Wahnsinn mit all diesen Dorfbewohnern in letzter Zeit? Wo kommen die auf einmal alle her?

Das hätte ich auch gern gewusst, doch ich konnte ihnen nicht länger zuhören, denn Ophelia wurde uns allmählich zu schwer.

Als wir eintraten, runzelte der Hotelier seine wahnsinnig buschigen Augenbrauen.

Kaum hatte er Ophelia, die wie ein Sack Roter Bete zwischen uns hing, erkannt, brüllte er auch schon los:

— Was hat sie denn jetzt schon wieder angestellt? Ach, vergesst es! Ist mir auch total egal. Bringt sie bloß hier weg. Ich möchte nicht noch mehr Kunden verlieren. Sie können sie nicht ausstehen.

Er warf ihr einen Blick zu, finster wie der Nether, und fuhr fort:

— Sie ist schlecht fürs Geschäft. Sie ist immer unpünktlich und bringt sämtliche Bestellungen durcheinander. Ich musste innerhalb einer Woche mehr als 20 Freigetränke ausgeben, um die Gäste zu entschädigen.

— Wir hätten gern ein Zimmer, bitte, sagte ich höflich.

— Bist du schwerhörig, kleiner Dorfbewohner? Ich habe kein Zimmer fr…

Ich vertraute Ophelia Alice an und und warf – noch immer höflich – einen ganzen Haufen Smaragde auf den Tresen.

— Wie ich schon sagte, wir hätten gern ein Zimmer.

Ich weiß nicht mehr, wie viele Smaragde ich ihm gegeben habe. Ich habe sie nicht gezählt, aber wahrscheinlich waren es mehr als 300. Aus schier unerfindlichen Gründen schien sich die Wut des Hoteliers Theor in Luft aufgelöst zu haben.

TAG 8
SAMSTAG - XXVI

Wie in der Nacht zuvor hatte auch dieses Zimmer nur zwei Betten.

Naja, kein Problem, denn wir hatten ja noch das verzauberte Bett. Also stellten wir es neben den Kamin und legten Ophelia hinein.

Das Icon mit dem Bett und dem Mond dahinter zeigte den Grad der Erschöpfung an. Bleibt man exakt 24 Stunden wach, erhält man Erschöpfung I. Dieser Debuff führt bezüglich der Bewegungsschnelligkeit und der Nutzung der eigenen Fähigkeiten beispielsweise beim Craften zu einer leichten Beeinträchtigung. Erschöpfung II folgt nach 36 Stunden, und die Beeinträchtigung wird verdreifacht. Nach zwei Tagen ohne Schlaf ist Level III erreicht und man wird bewusstlos.

Das Icon Grünes, verdorbenes Fleisch steht für eine Lebensmittelvergiftung. Mumifizierte Zombies und einige andere Monster können einen derartigen Debuff verursachen. Wahrscheinlicher war es aber, dass sie vor lauter Verzweiflung verdorbene Lebensmittel gegessen hatte. Der Debuff hält ungewöhnlich lange an.

Das in einem Eisblock eingeschlossene Herz steht für Unterkühlung. Wie bei einer Erschöpfung werden hier beinahe alle Handlungen beeinträchtigt. Manche Monster mit bestimmten Kompetenzen können einen solchen Debuff verursachen, meinte Alice. Ich glaube aber, dass sie einfach nur zu lange der Kälte ausgesetzt war.

(Aufgepasst: Obwohl Erschöpfung und Unterkühlung eine unendliche Dauer haben, können sie durch ausreichende Erholung im Warmem geheilt werden.)

Ich brauche wohl gar nicht erst zu erwähnen, dass dies alles für mich wirklich sehr mysteriös war.

Was war bloß mit ihr geschehen? Warum war sie unterwegs? War sie auf der Flucht? Warum hatte sie mit Schleimen gekämpft?

— Wir brauchen unbedingt Milch, um die Vergiftung zu behandeln, sagte Alice. Der Rest ist eine Frage der Zeit, zwei Stunden, höchstens drei.

Sie dachte kurz nach.

— Ich habe vergessen, einen Eimer mitzunehmen.

— Ich gehe einen holen. Du bleibst hier bei ihr.

Nun dachte ich nach, was natürlich etwas länger dauerte als bei ihr.

Alice?

Ja?

— War sie noch in Dorfstadt, als du aufgebrochen bist?

— Ich weiß es nicht. Ich war die meiste Zeit mit Esmeralda und den anderen unterwegs. Ich habe sie seit der Schule nicht mehr gesehen. Wahrscheinlich war sie mit ihren eigenen Leuten unterwegs.

— Sonst hast du nichts von ihr gehört?

Nein. Mastoc hat einmal gesagt, dass er sie vermisst. Auch er hat sie seit damals nicht mehr gesehen. Weißt du noch? Sie haben auf der Abschlussfeier zusammen getanzt!

Kopfschüttelnd ging ich zur Tür. Ich war wütend auf mich selbst, dass ich vorhin nicht die Geistesgegenwart besessen hatte, drei Eisenbarren zu kaufen. Dann hätte ich mir daraus locker einen Eimer machen können.

Naja, eigentlich hätte ich auch eine Kuh gebraucht, aber ich bin eh nicht gerade berühmt für mein Crafting. Ich war noch in der Schule, als ich das letzte Mal einen Eimer hergestellt habe, und der hatte ein Loch. Daraufhin habe ich versucht, der Lehrerin zu weiszumachen, dass das so beabsichtigt war.

Es handelt sich um die Verzauberung Loch I, log ich.

— Darf ich erfahren, wozu man sie gebrauchen kann?, fragte Frau Eichenblume.

— Naja, äh … das ist sehr praktisch. Sehen Sie, jetzt braucht man den Eimer nicht mehr umzukippen, um ihn zu leeren.

Sie lächelte. Es war ein eisiges Lächeln.

— Vielleicht wärst du so nett, der ganzen Klasse deine Verzauberung zu demonstrieren?

— Aber selbstverständlich!