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Geschwister sind die besten Freunde,

die man in jungen Jahren für selbstverständlich hält

und im Alter zu schätzen weiß.

WAS IST MINECRAFT?

Minecraft ist ein ausgesprochen kreatives Spiel, das entweder online mit Menschen aus der ganzen Welt, mit Freunden oder allein gespielt werden kann. Dieses Sandbox-Spiel ermöglicht es, erstaunliche Dinge aus texturierten Blöcken aus unterschiedlichen Materialien wie Stein, Erde, Sand, Sandstein usw. zu bauen. Die normalen physikalischen Regeln kommen dabei nicht zum Tragen, da man im Kreativmodus Bauwerke errichten kann, die der Schwerkraft trotzen und keine sichtbaren Stützen besitzen.

Kinder und Erwachsene nutzen das kreative Potenzial von Minecraft, um in diesem blockförmigen Universum unglaubliche Sachen zu bauen. Ein in letzter Zeit beliebtes Thema ist das Nachbauen ganzer Städte und Länder. Spieler haben London, Manhattan, Stockholm und Dänemark in Minecraft errichtet. Außerdem haben echte Minecraft-Geeks Fantasiestädte aus ihren Lieblingsfilmen und -serien wie Königsmund und Winterfell aus Game of Thrones und Minas Tirith aus Herr der Ringe gebaut. Der Überflieger aller Städtebauprojekte ist vermutlich Titan City: die Konstruktion eines Spielers, bei der viereinhalb Milliarden Blöcke verbaut wurden … Wow!

Abgesehen von Städten haben Spieler auch berühmte Bauwerke im Spiel errichtet. Das Taj Mahal ist einer meiner persönlichen Favoriten; mir gefallen aber auch Notre Dame und das Empire State Building. Für die Science-Fiction-Fans gibt es eine Replik der U.S.S. Enterprise (nicht das Original :() sowie des Millennium Falken und des Todessterns aus meinem Lieblingsfilm. Das Zeitraffervideo vom Bau des Todessterns ist übrigens wirklich faszinierend. Es gibt sogar ein paar Heiratsanträge, die in Minecraft realisiert wurden. Ich weiß nicht, wie viele davon erfolgreich waren, aber zahlreiche Videos wurden mehrere hunderttausend Mal angeschaut … Ich hoffe, sie hat Ja gesagt, sonst wäre das ganz schön hart. Denn was einmal im Internet ist, bleibt im Internet … und zwar für immer!

Der kreative Aspekt des Spiels ist bemerkenswert, aber ich spiele das Spiel am liebsten im Überlebensmodus. Dabei werden Spieler mit nichts als ihren Kleidern am Leib in einer blockartigen Welt ausgesetzt. In der Gewissheit, dass irgendwann die Nacht anbrechen wird, sammeln sie Ressourcen wie Holz, Stein, Eisen usw., um Werkzeuge und Waffen herzustellen und sich damit gegen die Monster zu verteidigen, die mit Einbruch der Dunkelheit hervorkommen.

Um Ressourcen zu erlangen, muss der Spieler Minen graben und tief in die Welt von Minecraft vordringen, in der Hoffnung, Kohle und Eisen zu finden, die beide für die überlebensnotwendigen Metallwaffen und -rüstungen benötigt werden. Beim Graben stoßen sie auf Höhlen, mit Lava gefüllte Kammern und möglicherweise auf eine der wenigen verlassenen Minen oder Verliese, in denen sich Schätze finden lassen. Doch viele Wege und Kammern sind von Monstern (Zombies, Skeletten und Spinnen) bevölkert, die nur darauf warten, sich auf Unachtsame zu stürzen.

Mit den mit Version 1.8 hinzugekommenen Erweiterungen (die Kaninchen gefallen mir am besten) sind viele weitere Features verfügbar. Neue Blocktypen wurden hinzugefügt, um eine bessere und detaillierte Textur für die digitale Welt zu erschaffen, aber ganz besonders interessant sind das neue Ozeanmonument und die Wächter. Nur die mutigsten Krieger werden den Versuch starten, den Großen Wächter im Überlebensmodus ohne Cheats zu besiegen … Ich bin mir nicht sicher, ob ich es schaffen würde, aber vielleicht ja Gameknight999. Eine interessante Ergänzung zur Version 1.8 war die Aussage am Ende der Liste auf dem Anmeldebildschirm … Herobrine wurde entfernt … Oder vielleicht doch nicht???

Das Land mag voller Monster sein, aber der Benutzer ist nicht allein. Es gibt riesige Server mit Hunderten von Spielern, die sich alle den Platz und die Ressourcen mit anderen Kreaturen in Minecraft teilen. Die Oberwelt ist voller Dörfer, die von NPCs (non-player characters) bevölkert sind. Diese laufen in ihrer Siedlung umher und machen, was immer Dorfbewohner so treiben, und sie haben Schatztruhen, manche groß, andere unbedeutend, in ihren Behausungen versteckt. Benutzer können mit diesen NPCs reden und Gegenstände tauschen, um an seltene Edelsteine oder Material für Tränke zu gelangen. Manchmal lässt sich auf diese Weise sogar ein Bogen oder ein Schwert finden.

Dieses Spiel ist eine beeindruckende Plattform für kreative Menschen, die gern bauen und erschaffen, aber sie sind dabei nicht auf Gebäude beschränkt. Mit einem Material namens Redstone können die Benutzer elektrische Schaltkreise innerhalb des Spiels erschaffen und so beispielsweise Kolben und andere Geräte antreiben und komplexe Maschinen aufbauen. Auf diese Weise wurden bereits Musikanlagen, funktionsfähige 8-Bit-Computer und raffinierte Minispiele innerhalb von Minecraft erschaffen, die alle mithilfe von Redstone realisiert wurden (Cake Defense finde ich persönlich ganz großartig).

Durch die Einführung der Befehlsblöcke mit Version 1.4.2 und die Einbeziehung fortschrittlicherer Skriptfunktionen wie Teleportation können Programmierer neue Arten von Minispielen erschaffen. Missile Wars gefällt mir da bisher mit am besten.

Das Schöne und Brillante daran ist, dass es sich nicht nur um ein Spiel handelt, sondern um ein Betriebssystem, das es den Benutzern gestattet, ihre eigenen Spiele zu programmieren und sich auf bisher neue, nie in Minecraft da gewesene Art zu entfalten. Kinder jeden Alters und Geschlechts entwerfen nun einzigartige Spiele, eigene Karten und PvP-Arenen, in denen Spieler gegeneinander antreten können. Minecraft ist ein Spiel voller aufregender kreativer Möglichkeiten, spannender Kämpfe und furchterregender Kreaturen. Im Grunde genommen entspricht es einer nackten Leinwand, auf der man seiner Fantasie freien Lauf lassen kann.

Was wirst du erschaffen?

KAPITEL 1

DER SCHURKE

Mit einem hasserfüllten Grinsen materialisierte er sich in der üppig grünen blockartigen Landschaft. Sein gesamtes Wesen war von einem zerstörerischen Hass auf die ihn umgebende Schönheit der Natur erfüllt. Er trat auf ein Schaf zu, das in der Nähe graste, und grinste, als die viereckige flauschige Kreatur mit Panik in den sanften eckigen Augen über den Hügel floh. Eine bösartige Präsenz schien von ihm auszugehen wie Hitze von einem brennenden Haus. Selbst die Grashalme versuchten, sich dieser unheilvollen Kreatur zu entziehen.

„Wie können die Oberweltler diesen Ort nur ertragen?“, zischte der finstere Neuankömmling, während er seine Umgebung mit bösem Blick in Augenschein nahm.

In der Ferne konnte er ein Dorf erkennen, das nicht wie viele andere Dörfer heutzutage über Verteidigungsanlagen verfügte. Hier handelte es sich um eine normale Ansammlung von Häusern, jedes aus einzelnen Blöcken gefertigt, wie es bei allen Dingen in Minecraft der Fall war. Die Gebäude bestanden aus vielen Holzblöcken und umgaben ein zentrales Steingebäude, das hoch in den Himmel aufragte: der Wachturm. In der Nähe konnte er den Dorfbrunnen und weiter draußen ein Weizenfeld erkennen. In den Straßen zwischen den Gebäuden sah er die Dorfbewohner, die ihrem Tagewerk nachgingen, wobei sich ihre eckigen Köpfe und Körper fast nicht von den blockartigen Häusern unterschieden.

Diese närrischen Dorfbewohner haben keine Ahnung, in welcher Gefahr sie schweben, dachte die finstere Kreatur. Aber diesen Fehler würde er schon bald berichtigen.

Er schloss die leuchtend weißen Augen, teleportierte sich von diesem malerischen Ort weg und materialisierte sich in einem dunklen Tunnel. Nachdem er tief eingeatmet hatte, stieß er einen kehligen Schrei aus, der durch die Steingänge und Felskammern hallte, von Lavaseen abprallte und von gewaltigen Wasserfällen reflektiert wurde, bis er die gesamte unterirdische Welt von Minecraft erfüllte. Sofort wurde sein Ruf vom sorgenvollen Stöhnen der Zombies erwidert.

„Ich komme, meine Kinder“, rief er in die Dunkelheit hinein. „Bereitet eine Versammlung vor.“

Das Stöhnen veränderte sich. Verzweiflung und Traurigkeit verwandelten sich in Überraschung und Angst. Der dunkle Fremde lächelte; er konnte ihre Furcht spüren … Das war gut.

Lautlos bewegte er sich durch die dunklen Gänge und stieg durch die Tunnel tiefer hinab bis zu dem geheimen Eingang, von dessen Existenz nur die Monster der Nacht wussten. Ab und zu bemerkte er riesige Spinnen und Creeper, die sich in den Schatten verbargen und darauf hofften, nicht gesehen zu werden, doch seinen leuchtenden Augen entging nichts. Er sah sie alle im Dunkeln kauern. Normalerweise hätte er diese furchtsamen Kreaturen vernichtet, deren Angst ihn anwiderte, aber im Augenblick hatte er wichtigere Pläne und keine Zeit für diese Schwächlinge.

Ein Leuchten erfüllte den Tunnel vor ihm, das sanfte orangefarbene Glühen von Lava … heißer, einladender Lava. Die Schatten hinter den Steinsäulen und tiefen Spalten wurden länger und tiefer, als er sich der Lichtquelle näherte. Nachdem er um eine Ecke gebogen war, stieß er auf einen langen Fluss aus geschmolzenem Gestein, der von weit oben herabfiel und einen großen Teich bildete. In der Nähe schoss ein Wasserfall aus einem Loch in der Wand, und das kühle blaue Wasser strömte in den kochenden Teich. Dort, wo die beiden Gegensätze aufeinandertrafen, bildete sich Obsidian. Die schwarzgefleckten Blöcke reflektierten das Licht des geschmolzenen Steins und warfen Lichtstrahlen durch die Kammer.

Dort war er.

Der Eingang zur Zombiestadt befand sich immer da, wo Wasser und Lava aufeinandertrafen. Der Fremde ließ den Blick über die zerklüfteten Steinwände schweifen und erkannte sofort die Stelle, hinter der die Geheimtür verborgen war: eine flache Steinwand, aus der ein einzelner Block herausragte. Er begab sich zu diesem Block, legte eine Hand darauf und drückte dagegen. Ein Klicken ertönte, dann schwang die Wand nach innen und gab den Blick auf einen langen, dunklen Tunnel frei. Der Fremde betrat den Gang, drehte sich um und schloss die Steintür hinter sich. Danach sprintete er den steinigen Korridor entlang. Während er rannte, wurde der Gang immer heller und die Wände veränderten ihre Farbe von Steingrau zu einem einladenden Orange, das an den Herbstanfang erinnerte. Noch mehr Lava. Der Fremde grinste gespenstisch. Er liebte Lava … Sie erinnerte ihn immer an seine Heimat.

Als er das Ende des Tunnels erreicht hatte, hielt er inne und betrachtete seine Umgebung. Vor ihm erstreckte sich eine massive Kammer, die vielleicht zwanzig Blöcke hoch und mindestens hundert Blöcke lang war. Überall auf dem Boden der Kammer standen kleine Häuser aus Stein- und Erdblöcken, jedes von anderer Größe und Form. Die eckigen Strukturen schienen miteinander zu konkurrieren, als würden Wände gegen Wände drücken und um den Platz wetteifern. So ergab sich ein geometrisches Flickwerk von seltsamer chaotischer Schönheit. Nichts passte zusammen, nichts war identisch, und dennoch sah jede Zombiestadt gleich aus.

Im Zentrum der Kammer befand sich ein großer Platz, von dem die Gebäude durch eine Art mystische Macht ferngehalten wurden. Das war sein Ziel. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, lief der finstere Fremde nach unten zum Boden der Höhle und sprintete durch das Labyrinth aus engen Straßen, die sich durch die Stadt schlängelten. Ab und zu wurde sein Weg durch Hausecken blockiert. Dann zog er seine Diamantspitzhacke hervor, zerschlug rasant die Blöcke und ließ den Schaden hinter sich zurück, während er weiter auf den Platz zueilte.

Innerhalb von Minuten hatte er die Höhle durchquert und den Platz erreicht. Am Rand dieser offenen Fläche schienen seltsame grüne Funken wie ein fremdartiges Feuerwerk in die Luft zu fliegen. Um diese funkelnden Brunnen herum standen Zombies und badeten in dem Leuchten, wobei sie ihre dunklen Augen vor Verzückung geschlossen hatten. Der Fremde wusste, dass dies die für die Zombies so wichtigen Gesundheitsbrunnen waren. Denn die Zombies aßen keine „Gehirne“, wie die dummen Benutzer dachten – das war nur ein Ammenmärchen. Zombies ernährten sich, indem sie im smaragdgrünen Licht der Gesundheitsbrunnen badeten. Die grünen Funken stellten ihre Gesundheit wieder her und stillten ihren Hunger. Er wusste, dass Zombies sterben mussten, wenn sie zu viel Zeit außerhalb der Zombiestadt verbrachten. Daher waren sie gezwungen, immer in ihrer Nähe zu bleiben, und auf ewig zu ihrem unterirdischen Dasein verdammt.

Der Fremde eilte an den Zombies vorbei auf das Steinpodium zu, das im Zentrum des Platzes stand. Er schob sich durch die Monstermenge und erblickte dabei Zombies jeder Größe und jeden Alters – groß, klein, jung und alt. Außerdem sah er Schweinezombies und ab und zu eine Lohe, die vermutlich dank geheimer Verbindungsportale aus dem Nether zu Besuch war. Als er die Stufen erreichte, die zu der erhobenen Plattform führten, stieß er einen weiteren kehligen Laut aus. Das erregte die Aufmerksamkeit aller.

Langsam stieg er die Stufen empor. Auf dem Podium stand bereits ein Zombie von muskulöser Statur. Vermutlich war er der Anführer dieser Gemeinde … aber das würde sich bald ändern. Der Fremde stellte sich neben den Zombie und starrte ihn aus leuchtenden Augen an.

„Wie heißt du?“, fragte der finstere Fremde.

„Dieser Zombie nennt sich Va-Lok“, antwortete der Zombie mit einer kratzigen, animalischen Stimme und zeigte dabei mit einem stummeligen grünen Finger auf sich selbst. „Va-Lok ist der Anführer dieser Stadt.“

„Jetzt nicht mehr.“

Mit schnellen Faustschlägen ging der Fremde auf den Zombie los. Dieser versuchte, zurückzuschlagen, aber sein Angreifer verschwand genau in dem Augenblick, in dem sich die Zombieklauen dicht vor seiner Haut befanden. Dann tauchte der Fremde hinter Va-Lok auf und attackierte ihn hinterrücks. Das Ganze dauerte nur eine Minute: Der Fremde griff an, verschwand, tauchte wieder auf, griff erneut an … immer und immer wieder. Va-Lok hatte keine Chance. Als nur noch ein letzter Rest Gesundheit übrig war, stieß der Fremde den Zombie von der Plattform, sodass dieser zu Boden fiel. Er prallte hart auf, und der Schaden durch den Sturz verbrauchte den Rest seiner Gesundheit. Die Kreatur verschwand und ließ nur einige Zombiefleischfetzen und drei leuchtende Erfahrungskugeln zurück. Sie schwebten zu denen, die dem Opfer am nächsten gestanden hatten.

Nun galten alle Blicke dem Fremden.

„Ich habe euren Anführer im Kampf besiegt und beanspruche diese Stadt hiermit für mich. Es ist nach altem Brauch geschehen: Die Starken vernichten die Schwachen, so wie es in euren Gesetzen steht. Ihr seid nun meine Untertanen und werdet tun, was ich befehle.“

„Welche Befehle werden den Zombies dieser Stadt erteilt?“, fragte einer der Zombies in der Nähe.

„Wie lautet dein Name?“

„Dieser Zombie nennt sich Ta-Zin.“ Der Zombie trat mit unsicherem Blick und ängstlicher Miene vor.

„Ta-Zin, du bist ab sofort einer meiner Generäle. Du wirst diese Stadt im Kampf anführen“, verkündete der Fremde mit lauter Stimme, die von den Mauern der Kammer widerhallte, sodass es so klang, als stünden einhundert von ihm auf der Plattform. „Ihr werdet die Oberweltler so lange angreifen, bis der Benutzer-der-kein-Benutzer-ist vor mir kniet.“ Er hielt inne, um den Befehl sacken zu lassen, dann fuhr er fort. „Der erste Krieg, der uns hätte befreien sollen, ist fehlgeschlagen. Die einfältigen Anführer Erebus und Malacoda haben mich enttäuscht, und ihre Strafe war der Tod. Jetzt werde ich die letzte Schlacht selbst anführen und den erbärmlichen NPCs der Oberwelt zeigen, was Furcht wirklich bedeutet.“

Die Zombies murmelten untereinander, nickten mit ihren verrottenden Köpfen, und ein breites Grinsen zeichnete sich auf den eckigen grünen Gesichtern ab.

„Wir werden die Dorfbewohner angreifen, bis der Benutzer-der-kein-Benutzer-ist zu mir kommt, vor mir kniet und mich um das Leben dieser jämmerlichen NPCs anfleht. Und wenn er dem Tod nahe ist, kurz bevor das letzte Bisschen seiner Gesundheit aufgebraucht ist, wird sein Mut ihn verlassen. Dann wird Gameknight999 durch das Tor des Lichts zurück in die physische Welt gehen, um seinem Tod zu entgehen. Wenn er das tut, werde ich ihn in die physische Welt begleiten, um dort Chaos zu stiften und die Menschheit für meine Einkerkerung in Minecraft zu bestrafen. Dann und nur dann wird es mir möglich sein, die Monster der Nacht zu befreien.“

Die Zombies stießen ein kehliges Jubeln aus, das mehr wie ein Schnauben klang, wurden aber sogleich wieder still, als Ta-Zin vortrat. Der Zombie drehte sich zu den anderen Monstern um, deren kalte tote Augen nun auf ihn gerichtet waren, und sah dann zu dem Fremden auf.

„Dieser Zombie ist verwirrt. Die Kleidung des Anführers, der vor unserer Stadt steht, ist die eines Schatten-Crafters, und jene Alten können die verändern, die in den Schatten leben, und Verbesserungen bei den Kreaturen der Nacht durchführen, aber …“

Der Fremde teleportierte sich zu dem Zombie und hieb mit den Fäusten auf ihn ein, sodass die Gesundheit des Monsters fast auf null abfiel. Doch gerade, als Ta-Zin auf ein Knie sackte, stoppte der Angriff.

„Ich bin nicht ein Schatten-Crafter, ich bin DER Schatten-Crafter“, erklärte der Fremde zornig. „Ich habe die Schatten-Crafter erschaffen und bin der Herrscher über alle Kreaturen in Minecraft.“

„Ta-Zin entschuldigt sich“, sagte Ta-Zin mit angespannter Stimme. „Wie sollen die Zombies ihren neuen Anführer ansprechen?“ Wie die Zombies wussten, wurden alle Nicht-Monster nach ihrer Aufgabe benannt, ihrem Zweck in Minecraft. Ein Schatten-Crafter, der Zombies verbesserte, würde Zombiebrine genannt werden, einer, der Creeper craftete, würde Creeperbrine heißen … „Woran arbeitet dieser Anführer?“

„Ich bin der Crafter von Kreaturen wie dem gescheiterten Erebus und dem übereifrigen Malacoda. Ich erschaffe die Anführer von Armeen und die Herrscher der Dunkelheit. Ich CRAFTE BÖSE HELDEN!“ Seine Stimme hallte von den Kammerwänden wider. „Und nun zieht los und zerstört, und macht den NPCs klar, dass sie leiden müssen, bis der feige Benutzer-der-kein-Benutzer-ist beschließt, sich mir zu stellen!“

„Aber wie lautet der Name des Anführers?“, rief ein Zombie aus der Menge. „Wie soll der Anführer der Zombiestadt angesprochen werden?“

„Mein Name … Ihr wollt meinen Namen wissen?“

Ta-Zin nickte mit dem kränklich grünen Kopf. Der Fremde beugte sich dicht zu ihm vor und flüsterte mit einer Stimme, bei der man Gänsehaut bekam: „Ihr könnt mich so nennen, wie mich die Legenden nennen … Ich bin Herobrine.“

KAPITEL 2

EIN NEUER ANFANG

Gameknight999 loggte sich in Minecraft ein, wie er es schon tausend Mal zuvor getan hatte. Er spielte im Keller am leistungsstarken Computer seines Vaters — dem mit der verbesserten Grafik, auf dem das Spiel richtig schnell lief. Wenn er über die Schulter schaute, konnte er im ganzen Keller verteilt die Erfindungen seines Vaters sehen: den 3D-Lakritzdrucker, den Marshmallow-Werfer, den Highspeed-Erdnussbuttermixer … alle möglichen Gerätschaften. Denn sein Vater war von Beruf Erfinder. Er erschuf die ungewöhnlichsten Dinge und reiste dann durchs ganze Land, um Leute zu finden, die sie kaufen wollten. Die meisten seiner Erfindungen waren Fehlschläge, nur wenige funktionierten überhaupt wie erwartet. Mit einer Ausnahme: dem Digitalisierer. Gameknight hatte auf die harte Tour gelernt, dass diese Erfindung besser funktionierte als gedacht, als sie ihn digitalisiert und in das Programm gezogen hatte, das gerade auf dem Computer lief: Minecraft. Das war eine schmerzliche Lektion gewesen, die er nicht wiederholen wollte.

Noch immer konnte er sich an seine schreckliche Furcht erinnern, als er in das Spiel gesaugt worden war … die gigantische Spinne, gegen die er kämpfen musste … und die Zombies … und die Creeper … und … Die Zahl der Monster schien kein Ende zu nehmen. Gameknight hatte den Digitalisierer nicht absichtlich eingeschaltet; es war ein Versehen gewesen. Aber dieses kleine Versehen hatte ihn auf ein Abenteuer geschickt, das sein Leben für immer verändert hatte. Er hatte auf seiner Reise durch Minecraft viel gelernt, doch am überraschendsten war die Erkenntnis gewesen, dass die Wesen innerhalb des Spiels tatsächlich lebendig waren … die NPCs und die Tiere … und die Monster …

Insbesondere zwei bösartige Kreaturen hatten es sich zur Aufgabe gemacht, Gameknight999 in Furcht und Schrecken zu versetzen und alles Leben in Minecraft zu bedrohen: Erebus, der König der Endermen, und Malacoda, der Netherkönig. Beide hatten es darauf abgesehen, durch die Vernichtung der Quelle Minecraft zu zerstören. Von der Quelle ging sämtliche Software aus, mit der die Weltenserver von Minecraft betrieben wurden. Hätten sie die Quelle zerstört, wären sie in der Lage gewesen, in die physische Welt zu entkommen. Aber Gameknight999 war es mithilfe seiner Freunde und einer Armee aus NPCs und Benutzern gelungen, Erebus und Malacoda aufzuhalten und alle zu retten. Es war eine tolle Erfahrung gewesen, bei der er viel über sich gelernt hatte. Das Erlebte hatte aber auch für immer seine Sicht auf Minecraft verändert. Seit Gameknight999 im Spiel gewesen war, war es nicht länger nur ein Spiel … sondern so viel mehr.

Gameknight schaute über die Schulter zum Digitalisierer hinüber, der zwischen all den anderen Dingen herumlag und zur Kellerwand zeigte. Das Gerät war ausgeschaltet, und doch wirkten die Röhren dunkel und unheimlich. Immer wenn er das Gerät auch nur ansah, überlief ihn ein Schauder. Aber jetzt, einige Wochen, nachdem er wie durch ein Wunder lebendig aus dem Spiel entkommen war, hatte er endlich den Mut gefunden, wieder nach unten in den Keller zu kommen und sein Lieblingsspiel zu spielen … Minecraft.

Er drehte sich zu seinem großen 1080p-Monitor um und sah, dass sein Charakter im normalen Gebiet materialisiert war, vor dem Versteck, das er gebaut hatte, als er durch den Digitalisierer in Minecraft hineingezogen worden war. Er schaute nach oben, konnte jedoch den Serverfaden nicht sehen, der seinen Charakter mit den Minecraft-Servern (und der Quelle) verband. Aber Gameknight wusste, dass er da war. So konnten die NPCs einen Benutzer von einem NPC unterscheiden: durch den Serverfaden, der sich wie ein silberner Lichtstrahl in den Himmel erstreckte. Sie sahen außerdem die Buchstaben des Benutzernamens über seinem Kopf schweben. Als er in Minecraft hineingezogen worden war, hatte er wie ein Benutzer ausgesehen und seinen Spielernamen über dem Kopf gehabt, aber der leuchtende Serverfaden hatte gefehlt. Er war ein Benutzer, aber ohne die Verbindung zu den Servern … und somit auch wieder kein Benutzer. Die NPCs nannten ihn daher den Benutzer-der-kein-Benutzer-ist und behaupteten, er wäre derjenige, der laut der Prophezeiung Minecraft retten würde. Diesen Titel hatte er mit Stolz getragen.

Jetzt schaute sich sein Charakter in der Landschaft um. Gameknight konnte die große Felszunge sehen, die sich über den Teich erstreckte und von der sich ein Wasserfall bis in eine unterirdische Kammer ergoss. Dort war er das erste Mal von der riesigen Spinne angegriffen worden. Der Wasserfall hatte ihm an jenem Tag das Leben gerettet. Er erinnerte sich noch immer an jedes Detail dieses schrecklichen Wesens: an die kleinen Härchen überall auf seinem Körper, die sich zu bewegen schienen, die gekrümmten schwarzen Klauen am Ende jedes Beins, die vielen Augen, in denen ein unstillbarer Hass loderte. Bei der Erinnerung erschauerte er kurz, dabei wusste er, dass es diesmal anders war. Er war im Spiel gewesen, wirklich im Spiel. Aber jetzt spielte er es nur als normaler Benutzer, der einen Ausflug nach Minecraft machte. Sein Charakter konnte Schaden nehmen, sogar getötet werden, aber im echten Leben würde ihm nichts passieren. Es war nur ein harmloses Computerspiel, und das würde es auch bleiben. Außerdem gab es nichts auf der Welt, das ihn dazu veranlassen konnte, das Tor des Lichts (den Digitalisierer seines Vaters) zu durchschreiten, um wieder nach Minecraft zurückzukehren.

Gameknight999 blickte auf den Bildschirm und bewegte seinen Charakter in Richtung Dorf, von dem er wusste, dass es sich in der Ferne befand. Er sprintete durch die Landschaft, vorbei an einem weiteren Berg mit ähnlichen Felsvorsprüngen. Bei diesem hingen lange Steinsäulen von der überhängenden Oberfläche, die wie die riesigen Zähne eines uralten kantigen Leviathans aussahen. Er erinnerte sich an diesen Berg von seinem ersten Besuch auf diesem Server, und damals hatte er ihm Angst gemacht … allerdings hatte er sich damals so ziemlich vor allem gefürchtet.

Er flitzte am Felsvorsprung vorbei und sprintete dann direkt auf Crafters Dorf zu. Ein paar Spinnen kamen angelaufen, um ihn herauszufordern, aber Gameknight ließ sich nicht darauf ein. Er wusste, dass diese Spinnen keine Chance gegen ihn hatten, da seine Rüstung und sein Schwert verzaubert waren, und … sie waren lebendig. Er wollte nicht gegen sie kämpfen oder sie töten, wenn es nicht nötig war.

Das war eins der Dinge, die er gelernt hatte, nachdem er durch den Digitalisierer seines Vaters ins Spiel gesaugt worden war: Die Kreaturen im Spiel waren wirklich lebendig. Die Dorfbewohner (oder NPCs) hatten Hoffnungen und Träume für ihre Kinder und verspürten Trauer und Verzweiflung, wenn sie jemanden verloren, der ihnen am Herzen lag. Alle Kreaturen innerhalb der digitalen Welt fühlten Schmerz und fürchteten den Tod; sie hatten ein Bewusstsein, und ihnen war klar, dass sie existierten, und jetzt wusste Gameknight das auch.

Er lief an den achtbeinigen Monstern vorbei, nickte ihnen anerkennend zu und machte dann einen Bogen um sie, während er seinen Weg ins Dorf fortsetzte. Nach ein paar Minuten konnte er die große Mauer aus Bruchstein erkennen, die sie um das Dorf herum errichtet hatten. Sie war gebaut worden, um die NPCs vor den Monstern der Oberwelt zu schützen, die von Erebus, dem König der Endermen, angeführt worden waren.

Erebus hatte den Angriff auf Minecraft durchgeführt, um zur Quelle zu gelangen und sie zu vernichten. Danach wollte er das Tor des Lichts benutzen, um in die physische Welt zu gelangen und auch dort alles zu zerstören. Gameknight und seine Freunde aus dem Dorf hatten die Verteidigung von Minecraft angeführt und alle gerettet. Und jetzt gab es glücklicherweise keine Schlachten mehr, keine Monster, die seinen Tod wollten, keine Armeen, die auf dem Schlachtfeld aufeinandertrafen. Es gab nur noch Minecraft … und so gefiel es ihm am besten.

Als er sich dem Dorf näherte, erblickte er einen NPC auf einem großen Steinturm, der alle anderen Gebäude überragte. Das war der Wachturm, den es in jedem Dorf gab. Der NPC mit den besten Augen hatte die Aufgabe, nach Monstern Ausschau zu halten. Diese NPCs hießen Watcher, denn NPCs werden immer nach ihrer Aufgabe benannt, z.B. Builder, Runner, Planter, Digger … Es gab Gameknight immer ein Gefühl der Sicherheit, wenn er die Watcher auf ihrer Position auf den Türmen sah. Das bedeutete nämlich, dass alles so war, wie es sein sollte. Aber jetzt standen dort zwei Watcher … Seltsam.

„Öffnet die Tore“, rief einer der beiden.

Zwei Eisentüren schwangen auf, als sich Gameknight näherte, aber während sie sich quietschend öffneten, glaubte er, tiefe Kratzer in der Oberfläche zu sehen, als wären rasiermesserscharfe Klauen darüber gezogen worden. Als er nach oben schaute, konnte er Bogenschützen erkennen, die mit Bögen in den Händen auf der Festungsmauer patrouillierten.

Warum sind heute so viele Bogenschützen auf der Mauer?, wunderte sich Gameknight.

Er überquerte die Holzbrücke, die den Burggraben überspannte, und begab sich zum Dorfplatz. Jeder NPC, dem er begegnete, grüßte ihn freundlich. Sie kannten ihn natürlich alle; er war der Retter von Minecraft … der Benutzer-der-kein-Benutzer-ist.

Als er weiter ins Dorf spazierte, kamen zwei junge NPCs mit breitem Grinsen im Gesicht auf ihn zugerannt.

„Gameknight!“, riefen sie und liefen noch schneller.

Gameknight999 hockte sich hin, breitete die Arme aus, und die beiden stürzten sich auf ihn. Er hob sie hoch und hielt sie fest an sich gedrückt, während er sich drehte, sodass ihre kleinen Beine nach außen schwangen wie in einem Kettenkarussell. Ihr Gelächter hallte durch die Luft. Er hielt an, setzte sie langsam wieder auf dem Boden ab und ließ sie dann los, um die beiden in neue Abenteuer zu entlassen.

Die beiden hießen Topper und Filler und waren die Zwillinge seines NPC-Freundes Digger. Nachdem Gameknight999 Minecraft gerettet hatte, war er in ihre Familie aufgenommen worden. Das hatte ihn sehr beschämt, denn er hatte damals, als er noch ein eigensüchtiger Griefer gewesen war, den Tod von Diggers Frau, der Mutter der Zwillinge, verschuldet. Gameknight hatte schreckliche Dinge getan, als er das große Geheimnis von Minecraft – dass die NPCs wirklich lebendig waren – noch nicht kannte. Als er zum ersten Mal in dieses Dorf gekommen war, noch bevor der Krieg sämtliche Server überzogen hatte, bevor er der Benutzer-der-kein-Benutzer-ist geworden war, hatte Gameknight dieses Dorf gegrieft. Er hatte Türen aufgebrochen, um Zombies zu den Dorfbewohnern hereinzulassen, und Wände zerstört, sodass die Skelette ihre Pfeile auf die Bewohner schießen konnten. So war auch Diggers Frau gestorben. Nach der großen Schlacht um dieses Dorf … nachdem Gameknight mit der Hilfe seines Freundes Shawny dabei geholfen hatte, das Dorf zu verstärken … nachdem er das Leben zahlloser NPCs gerettet hatte, hatte Digger ihm seine vergangenen Missetaten verziehen. Das beschämte Gameknight999 sehr, und er wollte hart arbeiten, um sich diese Freundschaft zu verdienen. Und Diggers Zwillinge Topper und Filler erinnerten ihn mit ihren herzlichen Umarmungen und dem freudigen Kichern immer daran, wie unglaublich wertvoll dieses Geschenk war.

Das Einzige, was ihn jetzt traurig machte, war, dass er die Umarmungen nicht wirklich spüren konnte. Er spielte das Spiel nur, sah es auf seinem Computerbildschirm, hörte die Stimmen seiner NPC-Freunde durch sein Headset … Er war nur ein Beobachter und nicht wirklich Teil dieser Welt. Er vermisste es, die Umarmungen zu spüren, aber er würde nie wieder richtig in das Spiel zurückkehren und der Benutzer-der-kein-Benutzer-ist sein. Es hatte ihn fast das Leben gekostet und war das Furchterregendste gewesen, das er je erlebt hatte. Nein, der Preis dafür, die liebevollen Umarmungen zu spüren, war einfach zu hoch.

„Gameknight!“, rief eine weitere junge Stimme.

Er drehte sich zu dem Klang um und sah ein Mädchen auf sich zulaufen. Sie hatte langes, lockiges rotes Haar, das aber beim Laufen nicht um ihren Kopf wehte, sondern einfach an ihren Schultern und dem Rücken klebte, als wäre es aufgemalt. Es war Stitcher.

Als normaler Benutzer wirkten die Dinge in Minecraft flach und zweidimensional. Aber als er im Spiel gewesen war, hatte er sehen können, wie Stitchers lange rote Locken ihre Schultern herabflossen und beim Laufen auf und ab hüpften. Es gab so viele wundervolle Details in Minecraft, die normale Benutzer nicht sehen konnten. Details, die sämtliche Kreaturen unterschiedlich und einzigartig aussehen ließen und bewiesen, dass die NPCs, Tiere und Monster im Spiel wirklich am Leben waren!

Sie lief über den Platz, ließ Pfeil und Bogen fallen und sprang direkt in seine Arme. Er fing sie problemlos auf, aber die Wucht ihres Aufpralls ließ ihn lachend zu Boden gehen.

„Du bist größer geworden“, stellte Gameknight fest und stand wieder auf.

„Du bist ja auch eine Weile nicht hier gewesen“, erwiderte sie.

„Nur ein paar Wochen“, gab Gameknight999 zurück. Nach seinem letzten anstrengenden Abenteuer hatte er einfach eine Pause gebraucht.

Sie sah ihn an und runzelte die Stirn, als hätte er sie angelogen. Dann fiel ihm wieder ein, dass die Zeit in Minecraft schneller lief als in der physischen Welt; ein Tag in Minecraft waren nur zwanzig Minuten in der echten Welt.

„Ja, ich schätze, es war wohl doch länger“, gab er zu. „Tut mir leid, ich hätte früher zurückkommen sollen.“

„Stimmt, das hättest du“, sagte Stitcher und knuffte ihm sanft gegen den Arm. „Nächstes Mal haue ich dich wirklich, wenn du so lange wartest, um zurückzukommen und uns zu besuchen. Wir sind deine Minecraft-Familie, vergiss das nie!“

„Entschuldige“, murmelte er kleinlaut.

Hinter ihm ertönte ein Lachen. Er drehte sich um und sah Hunter, Stitchers ältere Schwester, auf sich zukommen. Wie immer hatte sie ihren verzauberten Bogen in der Hand und einen Pfeil aufgelegt.

„Hat meine kleine Schwester dir gerade die Leviten gelesen?“, fragte sie.

„Ja, so ungefähr“, antwortete Gameknight.

Hunter lachte noch lauter. Sie sah ebenfalls älter aus. Ihr leuchtendes rotes Haar war länger, die Strähnen reichten jetzt bis zur Mitte ihres Rückens, lagen aber ebenfalls flach an. Es nahm ihr etwas von ihrer Erscheinung, als wäre sie nur eine von vielen und nicht einzigartig. Außerdem schien sie größer geworden zu sein und war mittlerweile so groß wie Gameknight. Vieles an ihr hatte sich verändert, nicht aber ihre dunkelbraunen Augen. Sie waren noch immer erfüllt vom Zorn und der Wut auf die Monster, die ihre Eltern getötet und ihr Dorf vernichtet hatten. Gameknight konnte sehen, dass der Rachedurst sie noch nicht verlassen hatte. Das machte ihn traurig, denn Rache ist ein gieriger Meister, der sowohl den Jäger als auch den Gejagten verschlingt. Seine Mutter sagte immer, die beste Rache wäre, ein erfülltes Leben zu führen und erfolgreich und glücklich zu sein. Aber Gameknight wusste, dass Hunter nicht bereit war, das zu hören … noch nicht.

„Na gut, wenn du damit fertig bist, dich von meiner kleinen Schwester runterputzen zu lassen, kannst du mitkommen. Wir haben viel zu bereden“, erklärte Hunter. „Na los, auf zur Fertigungskammer.“

Geschmeidig drehte sie sich auf einem Fuß um und lief ins Dorfzentrum und auf den großen Steinturm zu, der hoch aufragte und über seine Bewohner wachte. Gameknight folgte ihr mit Stitcher an seiner Seite.

Viele jubelten, als sie Gameknight vorbeigehen sahen; er hatte ihnen das Leben gerettet und war ein Held … nein, eine Legende, eine lebende Legende: der Benutzer-der-kein-Benutzer-ist, derjenige, der die Monster von Minecraft davon abgehalten hatte, alles und jeden zu vernichten. Immer wieder riefen Dorfbewohner seinen Namen und klopften ihm auf den Rücken, während er durch das Dorf lief. Das gab Gameknight ein gutes Gefühl, was er nicht gewohnt war, denn es fühlte sich so an, als wäre er wichtig und wertvoll. Zu Hause fühlte er sich nie so, erst recht nicht in der Schule. Dort war Gameknight999 nur Tommy Feynman, der Junge, der versuchte, unsichtbar zu sein, denn so konnte man den Schlägern am einfachsten aus dem Weg gehen. Er fühlte sich nicht wichtig, bedeutend oder wertvoll, denn dadurch lockte man nur die Schulhoftyrannen an: indem man aufrecht stand und auffiel. Nein, in der Schule stach er nicht hervor, nur in Minecraft. Und jetzt, da er hier in Minecraft Freunde hatte, konnte er sich auch endlich wohl in seiner Haut fühlen.

Als sie den großen Steinturm erreichten, öffnete Hunter die Tür und ging in die hinterste Ecke des Raums. Gameknight blickte die Leiter hoch und sah Bogenschützen auf den verschiedenen Etagen, die alle mit gespanntem Bogen aus dem Fenster sahen, als würden sie einen Angriff erwarten.

Was geht hier nur vor?, fragte er sich.

Hunter zog ihre Diamantspitzhacke, schwang sie gegen den Eckblock und zerstörte ihn mit drei Schlägen, wodurch der geheime Tunnel freigelegt wurde, der in jedem Wachturm existierte; das war der Eingang zur unterirdischen Fertigungskammer unter jedem Dorf. Sie warf den Block beiseite und ließ sich geschickt in den Tunnel herab, dicht gefolgt von Stitcher. Gameknight wollte ihnen gerade hinterherklettern, blickte aber noch einmal nach oben. Die Bogenschützen wirkten unruhig. Warum sind sie nur so nervös?

Plötzlich tauchte Stitchers roter Schopf wieder im Schacht auf, und sie schaute Gameknight999 mit ihren braunen Augen verwirrt an.

„Kommst du, oder machst du hier erst noch eine Besichtigungstour?“ Sie grinste frech.

„Ich komm ja schon.“

Sie verschwand erneut im dunklen Tunnel, und nun stieg auch Gameknight auf die Leiter. Er rutschte ein paar Sprossen herunter, dann hielt er inne und sah zur hellen Öffnung hoch. In seinem Kopf überschlugen sich die Fragen.

Irgendetwas geht hier vor … Etwas Unerwartetes. Das gefällt mir überhaupt nicht.

Er versuchte, das vertraute Gefühl abzuschütteln, dass etwas Schlimmes passieren würde, und rutschte die Leiter nach unten in die dunklen Tiefen von Minecraft.